205 - Das Zeichen der Ewigkeit
ihre Schwingen über El Kahira. Die Gluthitze des Tages verflog im Abendwind, und die Stadt erwachte zum Leben. Überall war Bewegung. Fackeln wurden entzündet, Tavernen öffneten die Pforten, Musikanten packten ihre Instrumente aus. Ganze Familien kamen auf zahmen Skaiks ins Stadtzentrum geritten. Die Straßen waren schon kurz nach Sonnenuntergang mit Käfern zugeparkt.
Hadban El-Abbas hatte Aruula, Daa’tan und Grao’sil’aana nach dem Basaarbesuch zum Essen eingeladen. Er war zwar pleite, hatte aber einen Vetter, Nihad, dem eine Taverne gehörte. Überhaupt schien Hadban mit großer Verwandtschaft gesegnet zu sein. Der Tavernenbesitzer war bereits der Dritte innerhalb weniger Stunden, den er als seinen Vetter vorstellte.
Die Gefährten dachten sich nichts dabei. Selbst wenn sie gewusst hätten, dass in Egeeti jeder Vetter genannt wurde, mit dem man des Öfteren Geschäfte machte, wären sie nicht misstrauisch geworden. Warum auch? Hadban war ein Händler, da blieb es gar nicht aus, dass er andere Händler kannte.
»Es ist angenehm hier«, sagte Aruula. Sie saß unter einer Schirmakazie draußen vor der Taverne, auf sonnenwarmen Steinen, und machte sich hungrig über ihr Essen her. Der Tisch war reich gedeckt: Brot und Fleisch und Früchte, dazu Wein und ein dampfender Eintopf aus Crooc-Gulasch, Fischen und Kräutern. Er wurde in einer Satellitenschüssel serviert, einem Gebrauchsgegenstand, der millionenfach unter den Trümmern der Stadt lag.
»Freut mich, dass dir mein Land gefällt, schöne Frau.«
Hadban leckte sich die Finger ab, dann zeigte er auf Daa’tan.
»Aber dein Sohn – bei Reephis! Ich kann immer noch nicht glauben, dass du einen so großen Jungen hast! – scheint diese Meinung nicht zu teilen.«
»Ich will endlich los«, knurrte Daa’tan. Er sah cool aus, auch wenn es das Wort nicht mehr gab, hatte er sich doch im Basaar einen Nachtmacher gekauft. Den trug er beharrlich, obwohl er sein Essen ertasten musste, denn es schien den Mädchen zu gefallen. Er hörte sie kichern, wenn sie beim Flanieren an der Schirmakazie vorbei kamen. Manchmal zog er die Sonnenbrille ein Stück herunter, mit einem Finger, und sah die Mädchen an. Sie wurden dann verlegen und drehten sich weg. Aber nie ohne noch einen lockenden Blick auf den jungen Mann zu werfen.
»Morgen früh brechen wir auf!«, versprach Hadban. »Ich habe mit meinem Vetter Mahmud gesprochen, und der sagte, der Ballon wäre nach Süden geflogen. Das passt zu dem, was du erzählt hast, Daa’tan. Im Süden, hinter der Grenze, lebt ein Volk von Schwarzen.«
»Schön! Aber gibt es da auch Wolkenstädte?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe nur gehört, dass diese Leute sehr klug sind.«
Aruula hatte schon mehrmals gelauscht, Hadban aber nie bei einer Lüge ertappt. Er sagte auch diesmal die Wahrheit. Im Süden lebten tatsächlich Schwarze. Allerdings waren es Nubier.
»Ich bin froh, dass ich euch überreden konnte, mit mir zu reisen«, sagte Hadban zu den Gefährten. »Der Weg nach El Assud ist weit und nicht ganz ungefährlich.«
»Mossari?«, fragte Aruula.
Er schüttelte den Kopf. »Berba.«
Die Barbarin tunkte ein Stück Brot in den Fischtopf. »Die habe ich schon ein Mal geschlagen, das schaffe ich auch erneut.«
»Du meinst: Wir haben sie geschlagen«, verbesserte Daa’tan spitz.
»Sicher«, nickte Aruula. »Und jetzt nimm das alberne Ding von der Nase, Daa’tan. Du kannst ja gar nichts sehen! Was sollen die Leute denken, wenn du so rumläufst?«
»Was die Leute denken, ist mir scheißegal! Und ich laufe nicht, ich sitze!«
Grao’sil’aana sagte nichts dazu. Er saß schweigend vor seiner Portion gebackener Honigdatteln und aß. Er hätte wahrscheinlich auch weiterhin geschwiegen und sich darauf beschränkt, die fremde Speise zu verzehren. Doch an lauen Abenden wie diesem gab es überall in El Kahira Straßenfeste, so auch hier, unter den Schirmakazien. Man traf sich, schwatzte, lachte, trank – und wartete auf die Darbietungen, die da kommen sollten. Sie kamen.
Schrilles Flötengenäsel ließ den Daa’muren hochfahren.
Eine Honigdattel flog davon, als er sich erschrocken herum warf. Doch die vermeintlichen Angreifer waren nur Musikanten. Sie standen auf dem Platz und bliesen mit allem, was die Lunge hergab, schräge Töne durch ihre Instrumente.
Trommeln und Schellen erklangen dazu. Das Ganze war schwer verdauliche Kost, und dem Daa’muren sank der Unterkiefer, als er sah, wie verzückt Hadban mit den Fingern
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