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205 - Das Zeichen der Ewigkeit

205 - Das Zeichen der Ewigkeit

Titel: 205 - Das Zeichen der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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schnippte.
    Grao’sil’aana fackelte nicht lange. Er nutzte seine gestaltwandlerische Fähigkeit, ließ seine Ohren zuwachsen und setzte sich wieder. So blieb ihm das Gedudel erspart.
    Allerdings verpasste er auch die verschleierten Tänzerinnen, denen so mühelos gelang, was Aruula in zehn Jahren nicht geschafft hätte: Daa’tan nahm die Sonnenbrille ab.
    Wie gebannt starrte er auf die schönen Orientalinnen mit ihren kurvigen, biegsamen Körpern und den feurigen Augen.
    Hadban raunte ihm zu, dass es in El Assud noch viel schönere Frauen gab. Willige Frauen. Hätte Daa’tan der gemeinsamen Reise nicht schon zugestimmt, jetzt wäre der Moment gewesen, seine Meinung zu ändern.
    Aruula interessierte sich nicht für den Schleiertanz. Daa’tan hatte auf dem Basaar ein Schwert entdeckt, das ihrer verlorenen Waffe schmerzlich ähnlich sah. Sie hatte es gekauft, samt einer Rückenkralle, und nahm es seither alle paar Minuten zur Hand. Es war gut ausbalanciert, auch Gewicht und Länge passten. Allerdings hatte es Aruulas letzte Perle gekostet. Ein Grund mehr, um die Reise durch Egeeti nicht allein anzutreten.
    Hadban hatte zwar selbst kein Geld, konnte aber wenigstens bei der Verständigung helfen.
    Als der Tanz zu Ende war, trat ein blinder alter Mann unter die Schirmakazien. Ein kleiner Junge mit ernsten Augen führte ihn durch die Trümmerbrocken der Hochhäuser, die den Platz säumten. Erwartungsvolle Stille begleitete den Alten auf seinem Weg, denn er war ein Märchenerzähler, und in einer Welt ohne Unterhaltungsmedien wurden Leute wie er sehr geschätzt.
    Grao’sil’aanas Schmatzen erschien plötzlich überlaut.
    Daa’tan verpasste ihm einen Stoß mit dem Ellbogen, was den Daa’muren dazu brachte, seine Ohren zu öffnen. Gerade rechtzeitig, um ein arabisches Märchen zu hören. Hadban übersetzte es für die Gefährten.
    »Es war einmal vor fünfhundert Hochwassern«, hob der Alte an. »Da kam eine Frau an den Nil mit Namen Adrakir. Ihre Schönheit war so vollkommen, dass selbst die Götter in Liebe zu ihr entbrannten. Reephis, dem der Tag gehört, und sein Bruder Amentu, dem die Nacht gehört, gerieten über Adrakir in Streit, denn jeder wollte sie für sich haben. Die Götter begannen zu kämpfen, vom Delta bis zum ersten Katarakt, von der Erde bis zu den Sternen. Dort endete der Kampf. Amentu siegte.« Der Alte nickte. »Und es wurde Nacht!«
    »Ooooh«, raunte die Menge. Große Augen starrten ihn an, Kinderhände tasteten nach den Müttern.
    Er fuhr fort: »Reephis stürzte mit Donnergetöse vom Himmel, und die Erde zerbrach. Das Meer kam in riesigen Wellen über die Ufer, der Châmazîn ( unangenehmer, heißer Wüstenwind ) wehte die Wüste bis zu den Wolken hoch, und es schneite graue Flocken. Menschen, Tiere und Pflanzen starben, der Nil veränderte seinen Lauf, und die Welt siechte dahin in einer Nacht ohne Ende.«
    Der Alte hielt inne. Jemand brachte ihm einen Becher Wein, den trank er aus, bevor er weiter erzählte. »Die Götterbrüder hatten Adrakir unsterblich gemacht, denn sie wollten ihre Schönheit auf ewig bewahren. Nach vierhundert Hochwassern ging Adrakir zu Amentu und forderte ihn auf, sie anzusehen. Als er es tat, erschrak er zutiefst. Die schönste aller Frauen war alt und verwelkt. Amentu fragte, was geschehen sei, und Adrakir antwortete: Es ist die Schuld der ewigen Nacht über dem Nil. Erkennst du nicht, dass ich Egeeti bin, und dass ich nicht blühen kann im Angesicht streitender Götter? Da vertrug sich Amentu mit seinem Bruder Reephis, und das Licht kehrte zurück.«
    »Aaaaah!«, rief die Menge befreit. Als hörte sie diese Geschichte zum ersten Mal.
    Der Alte hob die Hand. »Von den Toten aber, die Eingang ins Reich des ewigen Lichts gefunden hatten, waren viele beim Kampf der Götter auf die Erde gestürzt. Ihre Sarkophage hatten sich zu grünem Kristall verhärtet, und man konnte die Seelen darin zittern sehen wie die Flammen im Wind…«
    Daa’tan und Grao’sil’aana tauschten alarmierte Blicke.
    »… Reephis schämte sich für seine Niederlage, deshalb forderte er die Seelen nicht zurück. Da erbarmte Amentu sich ihrer und sandte Priester aus, um sie ins Tal der Stille zu bringen.«
    Grao’sil’aana beugte sich zu Hadban hinüber. »Wo liegt dieses Tal?«, raunte er.
    »Ein Stück weiter südlich«, raunte der Egeeter zurück. »Wir kommen daran vorbei.«
    Grao’sil’aana nickte stumm und wandte sich wieder dem Alten zu.
    Da gellte ein Schrei über den

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