2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)
Industrie werden Kriege möglicherweise an Häufigkeit noch zunehmen. Diese Kriege werden meist örtlich begrenzt sein und sich auf eine große Zahl kleiner Konfliktherde verteilen. Durch die vergleichsweise geringen anfallenden Kosten könnte die Grenze zwischen Friedens- und Kriegszeiten verschwimmen. Kriege werden dann häufig als Polizeiaktion gegen »verbrecherische Banden« bezeichnet werden. Diese Entwicklung ist schon jetzt in vollem Gang.
Daher können wir auch in der Art und Weise, wie Kriege geführt und gemanagt werden, drastische Veränderungen erwarten. An die Stelle der nationalen Armeen werden schon in naher Zukunft Privatfirmen treten, die für die mit hochtechnisierten Roboterwaffen ausgetragenen kleineren Konflikte geeigneter erscheinen. Diese Firmen werden nicht zwangsläufig an bestimmte Nationalstaaten gebunden sein und ihre Dienste zum höchsten Gebot anbieten, wie es bereits jetzt geschieht. Möglicherweise verlieren die Nationalstaaten dann an Bedeutung oder verschwinden ganz, da keine Propaganda mehr nötig ist, um die Bevölkerung von der Notwendigkeit zu überzeugen, sich auf dem Schlachtfeld zu opfern. Die Staaten haben sich einst zum Zweck der Verteidigung der Grenzen gebildet – zu einer Zeit, als die Landwirtschaft, und damit die Landesfläche, noch Haupteinnahmequelle war. Neuerdings wurden Kriege vermehrt um die Kontrolle mineralischer Rohstoffe geführt und mehrere Kriege der jüngsten Vergangenheit werden völlig zu Recht als Ölkriege bezeichnet. Möglicherweise sind die Nationalstaaten von ihrer Struktur her für das Führen von Kriegen und die Bewirtschaftung von Rohstoffen weniger geeignet als Einrichtungen in der Art moderner Konzerne, welche bei kleinräumigen Konflikten die Aufgaben sehr viel effizienter an hochtechnisierte Subunternehmen weitervermitteln könnten.
Die verminderte Zerstörungskraft der Kriege bedeutet gegenüber der heutigen Situation einen Fortschritt. Wo menschliche Kämpfer ihren robotischen Gegnern heillos unterlegen sind, stellen sie auch keine lohnenden Ziele mehr dar und Roboter werden vorrangig andere Roboter bekämpfen. Das bedeutet natürlich nicht, dass der Krieg keine menschlichen Opfer mehr fordern wird; das Militär und die politischen Führer werden weiterhin gefährdet bleiben, und die Bekämpfung ziviler Einrichtungen bleibt taktische Option. Für Terrorismus – also zielgerichtete Militärattacken gegen Zivilisten – sind Drohnen besonders geeignet, die sich leicht auf die Auslöschung bestimmter ethnischer, religiöser oder politischer Gruppen programmieren lassen. Die Tatsache, dass die Aktionen der Roboter aufgezeichnet werden und sich zurückverfolgen lassen, könnte sich andererseits als Hemmschwelle für einen willkürlichen Einsatz gegen Zivilisten erweisen – ein Vorteil angesichts von Gewalt, Folter, Vergewaltigung und anderen Ausschreitungen, wie sie von menschlichen Truppen typischerweise verübt werden. Kriege mögen also an Häufigkeit zunehmen, müssen aber nicht zwangsläufig immer gewalttätiger werden. Schon jetzt ist zu beobachten, dass Kollateralschäden an Zivilisten so weit als möglich vermieden werden. Nach den verbreiteten Flächenbombardements des 20. Jahrhunderts darf man das als Fortschritt vermerken.
Der Krieg ist so fest im globalen Wirtschaftssystem verwurzelt, dass wir erwarten müssen, dass er so lange präsent bleibt, wie es Rohstoffe gibt, um die sich zu kämpfen lohnt. Roboter werden daran nichts ändern, solange sie von Menschen programmiert und gesteuert werden. In ferner Zukunft werden Maschinen durch ihre Erfahrung auf dem Schlachtfeld einen Grad von Autonomie erlangen, die sich mit der Bezeichnung »Drohne« nicht mehr treffend charakterisieren lässt. Das bedeutet nicht, dass die Roboter die Herrschaft über ihre menschlichen Meister übernehmen – aber Menschen werden als Kämpfer nicht mehr gebraucht werden. Wie sich eine solche Gesellschaft entwickelt, ist aus heutiger Sicht unmöglich vorherzusehen. Sicher ist nur, dass Kriege zu den unberechenbarsten menschlichen Aktivitäten gehören, und dass die Zukunft wie immer voller Überraschungen steckt.
Ugo Bardi (Italiener, geboren 1952) lehrt physikalische Chemie an der Universität von Florenz. Seine Interessen reichen von der Ausbeutung von Bodenschätzen und peak oil bis zur Nanotechnologie und Robotik. Er leitet die italienische Sektion der Association for the Study of Peak Oil (ASPO) und führt ein Blog unter
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