2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)

Einwohner der Megastädte Zugriff haben werden, zusätzlich zur üblichen Infrastruktur mit sanitären Anlagen, Straßen und Energieversorgung. Der ständig mögliche Zugriff auf das Internet wird dazu beitragen, dass die menschliche Intelligenz zunehmend externalisiert wird, was den gesellschaftlichen Bedürfnissen und Ansprüchen der Stadtbewohner einen anderen Rahmen gibt.
    Durch den permanenten Internetzugang wird der Analphabetismus in den Städten zurückgehen und die Zahl talentierter Menschen steigen. Übers Internet werden sie Verbindung zur Weltgemeinschaft haben und zum Wirtschaftswachstum und zur Beschleunigung des sozialen Wandels vor Ort beitragen. Der radikalste und am wenigsten vorhersehbare Wandel wird sich allerdings im Bewusstsein all jener vollziehen, die in ständigem Kontakt mit dem Internet leben. Viele von uns tun das schon heute – allerdings im Rahmen einer im Erwachsenenalter angenommenen Gewohnheit. Die künftigen Generationen werden aber mit dieser Entäußerung ihrer kognitiven Fähigkeiten durch permanente Internetverbindung aufwachsen und das ist eine ganz andere Sache. Dies wird nicht nur das Selbstverständnis und die Gefühlswelt der Menschen verändern, sondern auch die grundlegende erkenntnismäßige Einstellung und die Bewältigungsstrategien.
    Wir glauben, dass sich die Megastädte und das Bewusstsein ihrer permanent übers Internet verlinkten Bewohner in den kommenden 40 Jahren parallel weiterentwickeln werden. Die Megastadt wird zum paradigmatischen menschlichen Lebensraum werden und der permanente Internetkontakt wird bestimmen, wie sich die Menschen in diesem Raum psychisch zurechtfinden und entwickeln. Werfen wir einen Blick auf mögliche Auswirkungen.
    KINDERERZIEHUNG: Im Lauf ihrer Geschichte waren die westlichen Länder ständigem und immer schneller voranschreitendem Wandel unterworfen, aber erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erreichte der Wandel eine Geschwindigkeit, bei der den meisten Eltern bewusst ist, dass ihre Kinder einmal in einer völlig veränderten Welt leben werden – und wie wenig sie von dieser Welt wissen. Und doch können wir den Kindern nur beibringen, was wir selbst wissen. Ein Hauptthema heutiger Pädagogik ist daher die Frage, wie man Kindern beibringt, Verantwortung dafür zu übernehmen, was sie lernen und wissen müssen.
    LÜCKENLOSE ÜBERWACHUNG: Die traditionelle psychologische und erkenntnistheoretische Trennung zwischen dem geschriebenen und gesprochenen Wort ist bereits jetzt am Verschwimmen und als Reaktion darauf entwickeln sich neue Normen, was Vertrauen, Privatsphäre und den Austausch von Gefühlen betrifft. Die Besonderheit der elektronischen Kommunikation über SMS, E-Mail und soziale Medien ist dabei, dass alles aufgezeichnet wird und zurückverfolgt werden kann. So stehen die höflichen Unwahrheiten und Notlügen der formlosen Kommunikation in digitalen Medien unter der ständigen Gefahr, aufgedeckt zu werden. Das Paradoxe dabei: Was in elektronischer Form »zu den Akten« gelegt ist, muss etwa alle zehn Jahre aufgefrischt werden und ist damit weit weniger dauerhaft als Aufzeichnungen auf Papier, die Jahrhunderte überdauern können.
    GLOBALE REALITÄT: Das Internet ist ein grenzenloses Medium. Die Kommunikation geht nicht von spezifischen Punkten aus, sondern ist von jedem Ort aus möglich, was ein völlig anderes Selbstverständnis bedingt. Angesichts der Zugehörigkeit zu verschiedenen virtuellen Netzwerken verliert die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Ort an Bedeutung.
    Fazit
    Für die Mehrzahl der Menschen wird die Megastadt im Jahr 2052 den gesellschaftlichen und materiellen Rahmen ihres Lebens bilden. Dieser Lebensraum wird vielfältig und in ständigem Wandel sein, ohne klare räumliche Grenzen und ohne feste soziale Strukturen und Ideologien, die den Einzelnen anleiten, wie er sein Leben einrichten soll. Feste Zwänge wird es wenige geben, dafür zahlreiche, kaum eingegrenzte Möglichkeiten mit offenem Ausgang. Die Bewohner der Megastädte werden durch den ständigen Kontakt mit dem Internet geprägt werden, das ebenfalls wenige feste Zwänge kennt und völlig offen ist, was Chancen und Möglichkeiten angeht. Die Geisteshaltung der Menschen wird sich von der unseren grundlegend unterscheiden.
    Per Arild Garnåsjordet (Norweger, geboren 1945) ist Geograf und Forschungsleiter bei Statistics Norway. Von 1995 bis 2006 war er Geschäftsführer bei Asplan Vik, einem großen Beratungsunternehmen für Stadt- und