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2063 - Zikanders Körper

Titel: 2063 - Zikanders Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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geißeln würde. Aber innerlich war Sig-Zikander bereits jetzt schon tot.
    Sig-Zikander tat sich unsäglich leid. Sein Selbstmitleid war viel stärker als der Schmerz, der nun seinen bewegungsunfähigen Körper durchraste. Der physische Schmerz kam tief aus seinem Inneren und drang in langsamen Schüben in die Außenzonen seines Körpers vor, bis in die Kuppen seiner verkrümmten Finger, bis in die Haarspitzen und an die Oberfläche seines bloßgelegten Zellgewebes. Irgendwann gab es keine Steigerung mehr, die Schmerzgrenze war überschritten. Er war physisch völlig unempfindlich geworden, zurück blieb nur noch eine Art Phantomschmerz, der mehr seiner Einbildung entsprungen schien als dem malträtierten Fleisch.
    Zurück blieb die tiefe Trauer über den Verlust seines Körpers und den Verlust seines Lebenspartners. Der entgangene Triumph war zur Nebensache geworden, in Bedeutungslosigkeit versunken. Auch wenn der körperliche Schmerz so übermächtig geworden war, dass er solche Signale gar nicht mehr verarbeiten konnte, litt er Qualen ganz anderer Natur. Sie waren im metaphysischen Bereich angesiedelt, beherrschten das weite Land seiner Seele. Er würde nie mehr den Schattentanz aufführen können, nicht mit grazilen Sprüngen die Luft durchgrätschen und sich mit dem imaginären Tanzpartner wiegen, ihn umschmeicheln können ... Alles vorbei, für immer verloren.
    Dies war der Zeitpunkt, zu dem er den Tod herbeisehnte. Aber der Tod ließ auf sich warten, wollte nicht kommen. Während um ihn längst alles still geworden war, nirgendwo auch nur das Zittern von Zellgewebe auszumachen war, wälzte er sich unruhig hin und her, zuckten ihm Arme und Beine unkontrolliert. Und er konnte weiterhin klar denken. Das war das schlimmste. Der Tod war überall um ihn, umlauerte ihn - er konnte ihn förmlich riechen -, aber er kam nicht, um ihn zu holen. Er spielte nur mit ihm, narrte ihn. Sig-Zikander rief ihn. Er schrie sein Verlangen ins Land hinaus, brüllte wie ein Tier. Aber er erhielt keine Antwort. Erfuhr keine Gnade.
    Die Nacht wich der Dämmerung des neuen Morgens. Die Sonne wanderte auf ihrem Weg zum Zenit über den Himmel und beschien schonungslos die Berge von Leichen, die einmal denkende und fühlende Wesen voller Hoffnung, mit Wünschen und Sorgen gewesen waren.
    Wahrscheinlich begann sich ein furchtbarer Gestank zu verbreiten. Aber Sig-Zikander roch nichts. Die Sinne versagten ihm. Er schrie, aber hörte seine eigenen Laute nicht mehr, empfing nicht einmal die Vibrationen des Schalls. Nur das Augenlicht war ihm auf brutale wundersame Weise verblieben. War er etwa doch längst schon tot und wusste es nur nicht? Die Sonne hatte ihren Zenit erreicht. Da schob sich vor die gleißende Scheibe Dyffros ein dunkler Körper. Es war ein großes, ein mächtiges Ellipsoid. Es war vom Strahlenglanz der Sonne umgeben. Und nun senkte es sich völlig lautlos auf ihn herab ... Ich bin ja taub, erinnerte sich Sig-Zikander... und wurde immer größer. Nun waren die acht insektenhaften Landestützen zu erkennen, die zuvor vom Sonnenlicht verschluckt worden waren, dazu die unzähligen stachelartigen Antennenauswüchse.
    Sig-Zikander hatte zuletzt in der Raumschlacht gegen Yos'Seruno solche Objekte gesehen: 900 Meter lang, 280 Meter dick, die Hülle aus grauem, schrundigem Material und stachelig. Und ihm wurde schlagartig klar, dass sich da aus dem Himmel ein Legionsschiff auf das Gelände des Diamantportals von Dyffronia heruntersenkte. Ein schrecklicher Gedanke formte sich in seinem umnebelten Geist: Ist es wirklich wahr? Kann es sein, dass die Legion Urheber der Seuche ist? Warum nicht? Aber warum doch? Es ergab keinen Sinn. Aber vielleicht war Sig-Zikander nicht mehr so klar bei Verstand, dass er den Sinn einer solchen Aktion erkennen konnte. Aus welchem anderen Grund war das Legionsschiff aufgetaucht, wenn nicht aus dem, sich vom Erfolg der Austilgungsaktion zu überzeugen?
    Das Legionsschiff schwebte eine ganze Weile über dem Diamantportal, bevor es sich langsam in Bewegung setzte. Es entfernte sich zuerst von Sig-Zikander, machte einmal kurz halt. Ein Scheinwerfer leuchtete auf, der das Gelände unter dem Schiff mit einem gleißend weißen Lichtkegel bestrahlte. Detailinformation, dachte Sig-Zikander schaudernd. Dann setzte sich das Legionsschiff wieder in Bewegung und kam auf einer kurvigen Bahn zurück. Als es mit dem Bug genau über ihm war, stoppte es seine Fahrt, und wieder wurde dieser blendende Scheinwerfer eingeschaltet.

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