207 - Weg eines Gottes
Konferenz im Rektorat, dem Versammlungshaus unterhalb des Palastes, zusammen. Die Versammlung bestand aus den sechzehn ältesten Männern der Huutsi, Lehrer genannt. Bei wichtigen Fragen entschieden alleine sie, und selbst das Königshaus hatte sich ihrem Spruch zu beugen. Leider konnte Twaa, der König, nicht mehr daran teilnehmen. Sein geistiger Zustand verbot es.
Banyaar, der vor die Konferenz geladen worden war, wagte es nicht, sie zu ignorieren. Er leistete sich aber eine Verspätung von knapp zehn Minuten. Dann erschien er mit höhnischem Grinsen, im überaus prunkvollen Repräsentations-Gewand des Thronfolgers. Er setzte sich breitbeinig und feist auf den Stuhl, der für ihn bereitgehalten wurde. Das Möbel war deutlich prunkvoller als die Sitzgelegenheit, mit der Yao vorlieb nehmen musste. Die Fackeln an den Wänden flackerten und verbreiteten geheimnisvolles Licht.
Koroh, der Kraft seines Amtes als Schamane der Konferenz vorsaß und hier den Titel des Oberlehrers führte, eröffnete sie. Ihm war deutlich anzusehen, wie unwohl er sich fühlte. Er erteilte Yao das Wort.
Der Erste Maschiinwart erhob sich. Mit einer leidenschaftlichen Rede belastete er den Prinzen schwer. Banyaar richtete indessen seine Fingernägel. Immer wieder hielt er sie prüfend gegen das Licht einer Fackel. Yao gelang es nur mit größter Mühe, sich zu keiner Unbeherrschtheit hinreißen zu lassen.
»Der Erste Maschiinwart wirft mir vor, ich würde mich nicht um die Schleusen kümmern«, verteidigte sich Banyaar. »Hat die Lava sie heute zerstört?«
»Nein«, musste Yao widerwillig zugeben. »Sie haben gehalten. Noch. Wir haben großes Glück im Unglück gehabt. Das nächste Mal werden sie brechen. Sie sind in einem miserablen Zustand.«
»Das sind nichts als bloße Behauptungen«, ergriff Ruundu, der Zweitälteste der Huutsi, die Partei des Prinzen. »Schlimme Behauptungen. Kannst du sie beweisen?«
»Ich bin ein Fachmann für diese Dinge. Mein Wort ist Beweis genug.«
»Ach, ist es das?« Ein krächzendes Lachen kam aus Ruundus zahnlosem, eingefallenen Mund. »Wenn ich deine Ausführungen richtig verstanden habe, Yao, hätten die Schleusen schon heute brechen müssen. Sind sie aber nicht.«
Yao begann zu ahnen, dass er einen schweren Fehler in seiner Argumentation begangen hatte. Und in den nächsten Minuten wurde ihm deutlich vor Augen geführt, dass fast die gesamte Konferenz auf Seiten des Prinzen stand. Entweder hatten sie Angst vor dem Königshaus oder sie waren bestochen worden.
»Für die Toten ist Banyaar alleine verantwortlich.«
»Ach. Kannst du mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass die Sicherheitsgräben bei voller Schleusenbesatzung rechtzeitig geöffnet worden wären?«
Yao senkte den Kopf, um ihn sofort wieder kampfbereit zu heben. »Banyaar darf nicht König werden. Wir brauchen jemanden, der sich verantwortlich für das Volk der Huutsi fühlt. Wie Twaa zu seinen besten Zeiten.«
»Du versündigst dich an den heiligen Worten der Uni-Regeln, die unser Zusammenleben bestimmen. Sie sagen deutlich, dass der älteste Sohn des Königs König werden muss. Immer und unter allen Umständen.«
»Niemand von uns hat die Uni-Regeln je gesehen«, brüllte Yao, jetzt außer sich vor Wut. Er sprang auf. »Das wisst ihr so gut wie ich. Der Gazellen-Clan hält sie unter Verschluss. Seit Generationen lässt er keinen Außenstehenden mehr die Aula betreten. Warum wohl, frage ich euch? So weiß niemand außer einigen wenigen Gazellen-Angehörigen, was wirklich drin steht. Und wir geben seit vielen Jahrzehnten nur mündliche Überlieferungen weiter. Die aber kann man sich leicht zurechtbiegen.«
»Mäßige dich, Yao«, musste ihn sein Freund Koroh zurechtweisen.
»Beweise uns, dass das Königshaus die Uni-Regeln tatsächlich besitzt und unter Verschluss hält«, schoss der Alte seinen nächsten Pfeil ab. »Beweise uns, dass die Königswürde nicht an den Gazellen-Clan gebunden ist.«
»Das kann ich nicht. Das weißt du nur zu gut, Ruundu.«
»Dann musst du, auch wenn du eine angesehene Persönlichkeit in den Reihen der Huutsi bist, zwanzig Peitschenhiebe für deine furchtbaren Anschuldigungen erhalten, die unser geliebtes Königshaus und unseren kommenden König in einem derart üblen Licht erscheinen lassen.«
Die konnte Koroh trotz des beifälligen Gemurmels der anderen Lehrer mit dem Hinweis, dass Yao durch den Verlust seines Freundes Uumu ganz sicher aus Schmerz ein wenig über das Ziel hinaus schoss, gerade
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