2074 - Neun Tage des Zitterns
Schultern hoch, als ob sie ein eiskalter Windstoß getroffen hätte. „Ich würde ihn lieben, wenn er es erlauben würde." Sie blickte auf den hellen Spiegel der Flüssigkeit im Glas. „Er verbirgt es souverän - aber Rugais Tod und der Betrug an Endra bestimmen noch immer sein Verhalten."
„Das ist rund ein halbes Arkonjahr her." Pergader leerte die Karaffe in die Gläser und betrachtete Durren. Nur sie beide und Kelterom duzten sich; innerhalb des Teams herrschte gewohnter USO-Tonfall. „Es wird sich ändern. Irgendwann."
„Irgendwann sind wir uralte Arkoniden und Schein-Zaliter." Durren versuchte erfolglos ein herzhaftes Lachen. „Und dann macht's auch keinen Spaß mehr."
Es war nicht die Stunde für eine Unterhaltung über persönliche Probleme. Ihre Gedanken kreisten unaufhörlich um den möglichen Erfolg und die voraussichtlichen Gefahren dieser doppelten Herausforderung. Pergader schob das Glas zurück. „Wahrscheinlich sieht das halbe Universum nach dem neunten März ganz anders aus. Ich gäbe viel dafür, bis dahin schlafen zu dürfen." Durren unterdrückte ein Gähnen und blies die Kerzen aus. „Mir müssen sechs Tontas reichen. Schlaf traumlos, Spezialist!" Miteinander verließen sie den Raum. Beim Abräumen des Tisches warf der Roboter ein Glas um, das klirrend auf dem Holzboden zerschellte.
*
Die Emotionauten der Katsugos TOMCAT und SHECAT, die „Raubkatzen" Sumner Kagel und Tynka Mintcoo, hatten sich über das weitere Vorgehen verständigt, kurz nachdem sie in Chamnen zuletzt Imperator Bostich I. überwiesen hatte, waren ausgeblieben. Und es war so viel zu tun; so viele Projekte waren begonnen und längst nicht beendet worden. Und daran, die geraubte Kristallmasse der Yobilyn-Statue endlich zu ersetzen, war nicht zu denken. Achtzig Kilogramm khygischer Kristall waren so teuer, dass die geschändete Statue wohl für alle Zeiten nicht restauriert werden konnte.
Eynam on Manshegur dirigierte den Schattenschirm an eine andere Position, öffnete die Lamellen der Windwand und hob erleichtert die Arme.
Kühler Seewind, durchmischt mit Brandungsgeräuschen und Vogelgeschrei, flutete über die Terrasse, während Aurianne aus Obstsäften, Wein, Kräuterauszügen und Eis einen Krug Erfrischungstrank mischte. Im Schatten wurden die Zahlenwerke im Holoschirm deutlicher und wiesen in ihrer Schärfe auf das bevorstehende Verhängnis hin. „Bostich der Zweite", seufzte Aurianne. „Warum lässt er uns im Stich? Was denkst du, Eynam?"
„Ich habe keine Erklärung, Aurianne." Als Gastgeber für Hunderttausende neugierige und erholungsuchende Touristen, für Reisende, die mehr von der Historie Gos'rantons erfahren wollten, und für gläubige Größen der arkonidischen Gesellschaft, Essoyas und Nicht-Dryanen, die auch an der gewaltigen Zeremonie der Erscheinung teilnehmen würden, waren niedergeschlagene und verzweifelte Dryanen ungeeignet. Die Stimmung während der vorangegangenen fünf Jahre großartiger Hanischer Zeremonien, die Aurianne bewusst als Hohepriesterin und Verwalterin miterlebt und gesteuert hatte, war eine einzigartige Mischung zwischen Ferien und Museumsbesuch, ebenso gab es sportlicher Betätigung in allem, was mit Stränden, Wellen und Wasserfahrzeugen zu tun hatte. Dazu kamen Besichtigungen uralter, gut erhaltener und teilrestaurierter Tempel, hundert alter Khasurn in unterschiedlichen Baustilen, Tausender von Imperatoren- und Götterstatuen, offenen und intimen Festen im Kreis Eingeweihter und der Nervenkitzel, neben einem Angehörigen eines alten arkonidischen Geschlechts sitzen zu können.
Die nächtlichen Kultprozessionen, während deren in Anbetung versunkene Dryhanen durch die Gassen schritten, würden dieses Jahr zu lächerlichen Ereignissen herabsinken! Seit der Inthronisation Bostichs II. versuchte Aurianne da Ithaba, den neuen Imperator zur Insel seiner Diener im Sichelmeer zu locken. Vergeblich. Aus dem Kristallpalast war bis zur Stunde keine Antwort zu hören! „Ist denn der Imperator nicht gewillt, unbestechliche Diener um sich zu haben?" Aurianne bemühte sich, ihrem Gegenüber ihre Verzweiflung nicht zu zeigen. Da die Dryhanen in letzter Konsequenz ihre einzige Daseinsberechtigung aus dem Dienst am Imperator oder seinem Stellvertreter herleiteten - seit Jahrtausenden! -, war Bostichs II. Weigerung oder Nichtbeachtung gleichsam ein Todesurteil.
Weder der Seewind noch die aufsteigenden Gewittertürme am Südende der Insel, weder das köstliche, kalte Getränk
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