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2084 - Noras Welt (German Edition)

2084 - Noras Welt (German Edition)

Titel: 2084 - Noras Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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der Atmosphäre dramatisch erhöht, und noch dazu war das saure Gas in die Weltmeere geraten, was genauso zerstörerisch für die Umwelt war. Vor allem konnte man den Bedarf der Menschen an Nahrungsmitteln nicht mehr decken.«
    »Du hast deine naturwissenschaftliche Lektion gelernt«, unterbrach er sie, aber sie freute sich so, dass er bei ihr war, dass sie sich davon nicht irritieren ließ. Sie sagte nur mit mahnendem Unterton:
    »Ich versuche, dir einen komplizierten Traum zu erzählen, also hör mir lieber zu! Die globale Erwärmung hatte die Tropen zur Wüste gemacht, wobei noch eine Überdosis CO 2 in die Atmosphäre geraten war. Tausende von Arten waren ausgerottet, alle Menschenaffen waren verschwunden, und es gab zum Beispiel nur noch drei Exemplare der madagassischen Lemuren. Zudem waren unersetzliche Insekten wie die Bienen oder Hummeln ganz oder teilweise ausgerottet, und die Menschen mussten die wichtigsten Kulturpflanzen mit der Hand bestäuben. Die Natur war regelrecht zersetzt, das Ganze war ein einziger gewaltiger Zusammenbruch der Ökosysteme, und die Weltbevölkerung war durch die Klimakatastrophe schon gewaltig reduziert. Was folgte, waren die letzten Kriege um Rohstoffe, und danach war Schluss. Eine große Stille senkte sich über alles, was von den einst so lebendigen Gesellschaften an den verschiedenen Orten der Erde noch übrig war.«
    »Das Schlimmste ist, dass es genau so kommen könnte«, warf Jonas ein.
    Nora hatte im Reden Teetassen und Kekse auf den Tisch gestellt und brachte jetzt die Teekanne. Er nutzte die Gelegenheit, um sie wieder an sich zu ziehen, aber sie befreite sich mit einem Lächeln aus seiner Umarmung und ging dann wieder zur Kochnische.
    »Hör zu«, sagte sie. »Ich hatte in dem Traum ein total scharfes Gerät, eine Art Terminal, das einfach alles zeigte, was jemals in der Geschichte der Menschheit geschrieben worden war. Auch alles, was es jemals auf Film oder Video gab, und alles, was Webcams überall auf der Welt draußen in der Natur aufgezeichnet hatten. Ich konnte in Zeitlupe sehen, was mit dem Planeten geschehen war, und ich konnte stundenlang nur dasitzen und mir Filme von längst ausgestorbenen Pflanzen und Tieren zeigen lassen.«
    »Und die Entwicklung, von der du gesprochen hast, ist schon in vollem Gang«, sagte Jonas.
    Sie drehte sich zu ihm um.
    »Ich kam mir so missbraucht und betrogen vor! Die Generationen, die vor mir gelebt hatten, hatten sämtliche Rohstoffe der Welt geplündert. Ich wohnte mit meinen Eltern und meiner alten Urgroßmutter im selben Haus wie jetzt, sogar im selben Zimmer. Ich hieß Nova, das hab ich zu erzählen vergessen, und meine alte Urgroßmutter hieß Nora, aber wir haben sie alle nur Uma genannt.«
    »Nora wie du …«, sagte Jonas.
    Es erschien ihr unmöglich, alles zu erzählen, was sie geträumt hatte, weil sich alles, was sie erzählte, noch im selben Augenblick in etwas anderes verwandelte, wozu sie noch gar nicht gekommen war, wozu sie aus logischen Gründen aber auch erst kommen konnte, wenn sie erzählt hatte, was sie in dem Augenblick gerade erzählte.
    »Und noch dazu war sie am selben Tag sechzehn geworden wie ich. Wir waren im Jahr 2084, und meine Urgroßmutter war 88.«
    Jonas stieß einen lauten Pfiff aus. »So langsam geht mir was auf …«
    »Ich hatte eine richtig schwierige Beziehung zu dieser Urgroßmutter. Ich hatte sie irgendwie sehr gern, und gleichzeitig hab ich sie dafür gehasst, dass sie zu einer der gierigen Generationen gehörte, die vor mir gelebt und ganz genau gewusst hatten, in welche Richtung die Entwicklung der Erde ging. Sie hatten es gewusst und trotzdem nie wirklich versucht, einen neuen Kurs einzuschlagen. Ich habe dann alle Ökosysteme so unversehrt zurückverlangt, wie sie gewesen waren, als meine Urgroßmutter noch so alt war wie ich jetzt. Wenn nicht, würde ich sie zur Strafe in den Wald jagen. Soll ich dir was sagen: Ich wäre imstande gewesen, meine eigene Urgroßmutter zu ermorden, so wie Kinder in alten Märchen und Sagen das Gesetz in die eigene Hand genommen und sich von Hexen und Trollen befreit haben.«
    »Und dann bist du aufgewacht?«, fragte Jonas.
    Sie schüttelte den Kopf. Die Frage war nur, wie sie jetzt weitermachen sollte.
    »Da, wo heute die Tankstelle ist, war im Traum keine mehr. Es gab nämlich kaum noch Autos – abgesehen von den weißen LKW , fällt mir jetzt ein, aber von denen erzähl ich ein andermal. Jedenfalls zogen die ganze Zeit Karawanen von Arabern mit

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