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2084 - Noras Welt (German Edition)

2084 - Noras Welt (German Edition)

Titel: 2084 - Noras Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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hab’s dir doch erklärt. Ich hab die Welt so zurückbekommen, wie sie aussah, als meine Urgroßmutter sechzehn war. Allerdings hab ich nur diese eine Chance.«
    Sie schaute auf den Tisch mit den vielen Zeitungsausschnitten und dann zu Jonas und fügte hinzu:
    »Und deshalb haben wir von jetzt an gewaltig zu tun.«

DIE WEISSEN LKW
     
    Sie schaut aus dem schmalen Fenster und sieht einen der weißen LKW in Richtung Dorf kommen, den ersten seit Langem. Sie läuft die Treppe hinunter, zieht schnell ihre Schuhe an, wirft sich einen warmen Mantel über und stürzt ins Freie.
    Auf dem Weg durch den Garten begegnet sie ihrer Mutter, die ein Bündel Christdornzweige in der Hand hält. Die Zweige biegen sich unter dem Gewicht der roten Beeren. Nova sagt nicht, wohin sie unterwegs ist. Sie weiß, dass ihre Mutter etwas gegen die weißen LKW hat.
    Im Weiterlaufen sieht sie Leute vom anderen Flussufer über die Brücke kommen. Sie ist nicht die Einzige, die gespannt ist, was es heute zu sehen gibt. Bald kann sie erkennen, was in großen Großbuchstaben auf dem weißen LKW steht: DIE LETZTEN LEMUREN DER WELT ! Also gibt es noch welche; es gibt noch Lemuren.
    Sie weiß, dass die Lemuren eine Halbaffenart aus Madagaskar sind, und sie weiß, dass es zuletzt nur noch im Berliner Zoo wenige überlebende Exemplare gab. Erst wenn keinerlei Hoffnung mehr besteht, dass eine aussterbende Art sich noch vermehren könnte, dürfen die zoologischen Gärten solche weißen LKW in die Welt schicken. Ihr Zweck ist es, den Menschen zu zeigen, was ihnen verloren geht. In freier Wildbahn gibt es schon seit vielen Jahren keine Lemuren mehr.
    Bei einem Mann mit roten Apfelbäckchen und einem schwarzen Spitzbart ersteht sie eine Eintrittskarte. Er verkauft auch Zuckerwatte und Popcorn, aber sie hat auf beides keine Lust.
    Die Eintrittskarte ist ungefähr so groß wie eine Spielkarte. Auf der einen Seite zeigt sie das Bild eines Lemuren, darunter steht: Lemur catta. Auf der anderen Seite steht die ganze wissenschaftliche Klassifikation: Animalia, Chordata, Mammalia, Primates, Lemuridae, dazu ein paar Sätze zu den Gründen, warum diese Art auf Madagaskar ausgestorben ist: Ihr Lebensraum wurde schon länger von Bränden zerstört, Bäume wurden gefällt, um Holzkohle herzustellen, zudem reduzierten Jäger den Bestand. Den Todesstoß versetzte ihnen dann der globale Klimawandel.
    Sie wird als erste Besucherin in den großen Aufleger gelassen. Fast der gesamte Innenraum ist ein Käfig, in dem die Lemuren an Kletterstäben und zwischen Pflanzen herumturnen. Der Boden ist mit Sägemehl bedeckt. Es sind drei Tiere, allesamt Weibchen; auf der Eintrittskarte ist das Geschlecht angegeben: ♀♀♀ . Nova besitzt inzwischen eine ganze Sammlung solcher Karten. Sie sind wertvolle Erinnerungen daran, welche Tiere sie noch sehen konnte, bevor sie endgültig von der Erde verschwanden.
    Die erwachsenen Tiere sind von der schwarzen Schnauze bis zur Schwanzspitze ungefähr einen Meter lang, wovon über die Hälfte auf den schwarz-weiß geringelten Schwanz entfällt. Als Nova näher an den Käfigdraht herantritt, springen die Tiere nervös hin und her und schauen sie aus gelbbraunen Augen an. Sie wüsste gern, wie viel Lemuren wohl verstehen. Sie glaubt fest, dass es mehr ist, als sie zum Ausdruck bringen können. Und sie weiß, dass es in einem oder zwei Jahren in der App der Weltnaturschutzunion »pling« machen wird – eine Art letzter Gruß dieser in ihrer Heimat einst so weit verbreiteten Art.
    Nova filmt die Lemuren, bevor sie den weißen LKW wieder verlässt. Im Hinausgehen begegnet sie einem Mann mit zwei Kindern. Er hält sie an den Händen, und sie sind schrecklich aufgeregt. Jedes hat schon eine Tüte Popcorn bekommen. Wenn sie sich die exotischen Tiere angesehen haben, gibt es vielleicht noch Zuckerwatte. Schließlich fahren nicht jeden Tag weiße LKW durchs Land.

DER FROSCH
     
    Nora las vor, was sie gerade im Netz gefunden hatte:
    »Breaking News: Statoil teilt mit, dass die Gesellschaft in keiner Konfliktzone am Horn von Afrika mehr tätig werden wird. Was andere Gebiete im kenianischen Hoheitsbereich angeht, werden aus geschäftlichen Gründen Spekulationen weder bestätigt noch dementiert …«
    »Nach Öl bohren wollen sie aber immer noch«, sagte Jonas.
    »Das ist jetzt vielleicht nicht das Allerwichtigste«, sagte Nora mit einem fast flehentlichen Blick.
    »Sondern?«
    »Hilft das, was sie sagen, Ester Antonsen? Oder von mir aus auch

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