21 - Die achte Flotte
nicht anzuschließen, aber wenn man ihre Wirtschaftsrepräsentanten hört, könnte man meinen, das Gegenteil wäre der Fall. Erst gestern war einer von ihnen den ganzen Nachmittag lang bei Ministerin Lababibi und beschwerte sich darüber, dass Investitionen auf New Tuscany nicht mit Steuererleichterungen gefördert werden, wie sie Beth für Anlagen im Quadranten anbietet.« Michelle schüttelte den Kopf. »Offenbar hielt der Kerl ihr Vorträge darüber, wie ›unfair‹ und ›diskriminierend‹ dass sei! Wenn das die Art ist, wie ›Politik‹ funktioniert, Mom, dann möchte ich mich damit wirklich nicht noch eingehender befassen müssen!
Aber ein anderes Thema: Ich wünschte, du könntest die hiesige Küche ausprobieren. Thimble liegt direkt an der Küste, und die Meeresfrüchte hier sind unglaublich. Sie haben etwas, das sie ›Hummer‹ nennen, auch wenn sie überhaupt nicht wie unsere aussehen − oder wie die von Alterde −, und sie grillen sie, dann servieren sie sie mit sautierten Pilzen und Paprikastreifen, garniert mit Zitronensauce und Knoblauchbutter auf einem Bett aus einer hiesigen Getreidesorte. Köstlich! Wenn ich Honor wäre, könnte ich davon so viel essen, wie ich nur wollte. Trotzdem …«
Sie verstummte, als an der Ecke ihres Terminals ein rotes Licht aufblinkte. Sie sah es mehrere Herzschläge lang an, dann drückte sie eine Taste, und Bill Edwards’ Gesicht erschien vor ihr.
»Ja, Bill?«
»Ich störe Sie nur ungern, Ma’am, aber hier ist ein dringender Prioritätsanruf für Sie.«
»Von wem?«, fragte Michelle stirnrunzelnd.
»Ein Konferenzgespräch, Ma’am − von Admiral Khumalo und Baronin Medusa.«
Michelle riss unwillkürlich die Augen auf. In Thimble war es jetzt eine oder zwei Stunden nach Mitternacht, und Khumalos Stab stimmte seine Arbeitsstunden auf das Personal der Gouverneurin ab. Wieso also wollten beide sie zu dieser Stunde noch sprechen?
Die Antwort auf diese Frage wird mir nicht gefallen, dachte sie.
»Wurde um visuelle Verbindung gebeten?«, fragte sie Edwards und fuhr sich mit einer Hand über das kurze, noch immer feuchte Haar. Sie fragte sich, wie sie so ruhig klingen konnte.
»Nein, Ma’am. Die Gouverneurin ist selbst nicht visuell und hat ausdrücklich gesagt, dass es ausreichen würde, wenn auch Sie nur per Audio teilnehmen.«
»Gut.« Michelle ließ ein Lächeln aufblitzen. »Chris würde mich umbringen, wenn ich mich bei einer Konferenz mit einem anderen Flaggoffizier und einer kaiserlichen Gouverneurin im Trainingsanzug sehen ließe. Oder er würde mich mit seinem tödlichen tadelnden Blick bedenken! Stellen Sie mich bitte durch, Bill.«
»Jawohl, Ma’am.«
Edwards’ Gesicht verschwand und wurde fast augenblicklich durch einen geteilten Bildschirm ersetzt. Ein Segment zeigte Augustus Khumalos Gesicht, während das andere ein Hintergrundbild mit Baronin Medusas Wappenschild zeigte. Khumalo trug Uniform, hatte die Jacke jedoch abgelegt, und Michelle wusste, dass beide statt ihrer den Schild mit den gekreuzten Pfeilen der Artemis sahen, darüber die beiden Sterne ihres Dienstgrads.
»Guten Abend, Admiral. Guten Abend, Madam Governor«, sagte sie.
»Guten Morgen meinen Sie wohl, Mylady?«, erwiderte Khumalo mit angespanntem Lächeln.
»Ja, wahrscheinlich schon. Auch wenn wir an Bord noch immer Manticore-Zeit haben.« Michelle erwiderte das Lächeln und räusperte sich. »Ich muss mich allerdings fragen, weshalb Sie beide mich so spät an Ihrem Tag anrufen, Sir.«
»Technisch mussten wir es wohl nicht«, antwortete Baronin Medusas Stimme. »Aber der Grund, weshalb wir nicht bis morgen warten wollten, ist wohl, dass das Elend Gesellschaft liebt.«
»Das klingt nicht gut«, sagte Michelle vorsichtig.
»Vor zwanzig Minuten hat uns ein Kurierboot erreicht, das den Lynx-Terminus durchquert hat, Mylady«, begann Khumalo. »Es brachte eine dringende Depesche. Wie es scheint, wurde Admiral Webster vor drei T-Wochen auf Alterde ermordet.«
Michelle atmete zischend ein. Im ersten Augenblick war ihr, als hätte Khumalo aus dem Terminal gegriffen und sie ins Gesicht geschlagen, so scharf war der Schock, so völlig unerwartet. Und dem Schock auf den Fersen folgte die Trauer. Die Familien Webster und Henke standen einander nahe − Michelles Tante väterlicherseits war mit dem gegenwärtigen Herzog von New Texas verheiratet − , und James Bowie Webster war seit ihren Kindertagen ihr Nennonkel gewesen. Er hatte sie aktiv zu einer Flottenlaufbahn ermutigt, und
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