21 - Die achte Flotte
würden. Aber das ändert nichts an dem, was ich gerade sagte. Außerdem ist es Ihre Pflicht, das Schiff zu verlassen, wenn Sie es können, und sich für mich um meine Leute zu kümmern.«
Michelle hatte den Mund wieder geöffnet, doch als sie Horns letzte neun Wörter hörte, schloss sie ihn wieder. Mit brennenden Augen sah sie der älteren Frau offen ins Gesicht, dann atmete sie tief durch.
»Sie haben recht, Alex«, sagte sie leise. »Ich wünschte, es wäre anders.«
»Mir geht es genauso.« Horn brachte ein Lächeln hervor.
»Leider habe ich recht. Gehen Sie jetzt. Das ist ein Befehl, Admiral.«
»Aye, aye, Captain.« Das Lächeln, mit dem Michelle reagierte, geriet ziemlich schief, und sie wusste es. »Gottes Segen, Alex.«
»Ihnen auch, Ma’am.«
Der Combildschirm wurde dunkel, und Michelle sah ihre Stabsoffiziere und deren Assistenten an.
»Ihr habt den Captain gehört, Leute!«, rief sie, und ihre rauchige Altstimme klang grell und rau zugleich. »Gehen wir!«
Bandit-Zwo jagte HMS Ajax weiter hinterher. Auf solch große Entfernung genügte die Auflösung havenitischer Sensoren kaum, um eine kleine Impellerquelle wie eine Pinasse oder einen Kutter zu erfassen. Für die ferngesteuerten Ortungssatelliten, die die Kampfgruppe vorgeschickt hatte, sah das schon anders aus. Sie waren zwar nicht so leistungsfähig und haltbar wie ihre manticoranischen Gegenstücke, aber sie hatten in der letzten halben Stunde die Ajax genau beobachtet. Sie waren dicht genug, um nicht nur die Impellerkeile der Beiboote zu orten, sondern auch um zu bestätigen, dass es sich in der Tat um Beiboote handelte und nicht um Raketengondeln.
»Sie verlassen das Schiff, Sir.«
Admiral Pierre Redmont wandte sich seinem Operationsoffizier zu, eine Augenbraue hochgezogen.
»Eindeutig, Sir«, sagte dieser.
»Verdammt.« Der Admiral verzog das Gesicht, als hätte er gerade in etwas Saures gebissen, doch vermochte er keine Überraschung vorzuspiegeln. Überraschend war unter den gegebenen Umständen nur, dass die Mantys so lange gewartet hatten. Offensichtlich hatten sie doch nicht die Absicht, ihm das Schiff intakt in die Hände fallen zu lassen. Sie brachten die Besatzung von Bord, ehe sie es sprengten.
»Wir könnten ihnen befehlen, nicht von Bord zu gehen, Sir«, sagte der Operationsoffizier ruhig. Redmont sah ihn scharf an, und der zuckte die Achseln. »Sie sind tief innerhalb unserer Reichweite.«
»Ja, das sind sie, Commander«, erwiderte der Admiral ein wenig gereizt. »Und sie schießen nicht auf uns. Genauer gesagt können sie von dort gar nicht auf uns schießen − jedenfalls müssten wir keinen Schweißtropfen vergießen, wenn sie es täten. Was meinen Sie wohl, wie Admiral Giscard − oder noch schlimmer, Admiral Theisman − reagieren würde, wenn ich das Feuer auf ein Schiff eröffnete, das nicht zurückschießen kann, nur um die Besatzung am Vonbordgehen zu hindern?«
»Nicht sehr gut, Sir«, räumte der Commander ein. Dann schüttelte er mit schiefem Lächeln den Kopf. »Das war wohl keiner meiner besseren Vorschläge, Admiral.«
»Nein, war es nicht«, stimmte Redmont ihm zu, doch sein kurzes Lächeln entschärfte den Tadel fast völlig, und er wandte sich wieder seinen eigenen Displays zu.
Michelle Henke und ihr Stab hasteten durch den Gang zu den Liftröhren. Der Gang war bereits leer, Luken standen offen. Das Schiff lief fast ausschließlich ferngesteuert, während die überlebenden Besatzungsmitglieder zum klarierten Beiboothangar eilten. Plötzlich durchfuhr Michelle ein besorgter Gedanke.
Himmel! Was, wenn die Havies auf die Idee kommen, dass alles nur ein Trick ist? Dass wir jederzeit von Bord hätten gehen können, aber es nicht taten, weil …
Sie wollte sich umdrehen und nach ihrem Handcom greifen, doch es war zu spät.
Unversehens schrillte ein Alarm.
Der Taktische Offizier des Flaggschiffs riss erstaunt den Kopf herum, als er den Ton erkannte. Das war der Annäherungsalarm, und das konnte nicht sein! Doch obwohl ihm dieser Gedanke durch den Kopf zuckte, er war erfahren und professionell. Sein automatischer Unglaube hinderte ihn nicht, sich fast automatisch der Aktivortungsstation zuzuwenden.
»Radarkontakt!«, rief einer seiner Gasten, doch es war schon zu spät; die Warnung machte keinen Unterschied mehr aus.
Manticoranische Raketengondeln neuester Generation ließen sich außerordentlich schwer orten. Eine antriebslose Rakete konnte auf etwa eine Million Kilometer von aktivem Radar
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