21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
könnt alles, was du erzählt hast, durch einen Eid bekräftigen?“
„Ja.“
„Es kommen in deinem Bericht einige Punkte vor, die mir unklar sind. Du wirst mir also noch einige Fragen zu beantworten haben. Du sagtest, ihr hättet euch mit dem Def befreundet; wie kommt es, daß ihr da seinen Namen nicht kennt? Bevor man sich befreundet, sucht man doch zu erfahren, wie man heißt!“
„Unter schiitischen Pilgern nicht. Du bist ein Sunnit und kannst das also nicht wissen.“
„Gut; das hast du vortrefflich gemacht! Weiter! Es fielen so viele Schüsse, und doch hat keiner getroffen; alle Menschen waren nicht erschossen, sondern erstochen. Ist das nicht sonderbar?“
„Nein. Es war eben nicht genau gezielt worden!“
„Und alle zwölf Mitglieder der Karawane hielten ruhig still, um sich mit Bequemlichkeit nach und nach erstechen zu lassen?“
„Das war die Angst!“
„Der Def hat die Schüsse gehört, muß also noch nicht weit entfernt gewesen sein. Ihr kamt mit ihm zurück. Es kann also inzwischen nur eine sehr kurze Zeit vergangen sein, höchstens einige Minuten?“
„Mehr nicht.“
„Und doch brannte schon ein Feuer? Und doch war man schon mit der Verteilung der Beute beschäftigt? Du mußt doch selbst sagen, daß deine Erzählung stellenweise höchst verwunderlich klingt!“
„Allah! Ich habe die volle, reine Wahrheit berichtet!“
„Ihr wart vorher in Hilleh?“
„Ja.“
„Wie lange?“
„Einige Stunden.“
„Wohin wolltet ihr von hier aus?“
„Zunächst nach Kerbela.“
„Dann?“
„Nach Meschhed Ali.“
„Nicht wieder über Hilleh, denn dies wäre ein Umweg gewesen, sondern direkt über Kefel?“
„Ja.“
„Und wohin von Meschhed Ali aus?“
„Hinunter nach Samawat.“
„Weiter!“
„Von dort aus wollten und wollen wir über Qorna, Hawisa und Disful im Tale des Kercha-Flusses nach Persien zurück.“
„Also ohne wieder hierherzukommen?“
„Ja“, antwortete der sonst so schlaue Pädär, welcher nicht ahnte, welche Falle der General ihm mit diesen Fragen gestellt hatte. Der Fang glückte auch vollständig, indem Osman Pascha fortfuhr:
„Wie steht es da mit dem Brief an den Sandschaki? Ihr hattet ihn abzugeben, seid aber fortgeritten, ohne dies zu tun, obwohl ihr die Absicht hattet, nicht wiederzukommen. Und nun kommt ihr mitten in der Nacht, um ihn zu bringen. Erkläre mir diese Widersprüche!“
Die Perser waren vollständig überzeugt gewesen, unbedingt nur von dem Sandschaki empfangen zu werden, und also auf ein solches Examen nicht vorbereitet. Der Pädär zermarterte sich das Gehirn nach einer nur leidlich passenden Auskunft; er setzte mehrmals an, um zu antworten, fand aber nichts, was er als nur einigermaßen glaubhaft vorbringen konnte.
„Nun, sprich!“ drängte ihn der General. „Woher dieses Schweigen? Fällt dir denn gar und gar keine Ausrede ein?“
„Wir – wir – hatten den Brief – ver – – – vergessen!“ stieß der Pädär endlich hervor.
„Vergessen? Einen Brief, der so wichtig ist, daß ihr ihn jetzt zu einer so unpassenden Stunde bringt? Dessen Wert ihr so hoch taxiert, daß ihr das Schreiben nicht einmal mir anvertraut, sondern es nur eigenhändig übergeben wollt? Seid ihr denn wirklich so dumm, anzunehmen, daß ich dieser Ausrede Glauben schenken werde? Es ist eine geradezu unglaubliche Frechheit von euch, mir da eine Menge von Lügen in das Gesicht zu sagen, welche jeder Dummkopf durchschauen würde. Denn nicht bloß eure letzte Ausrede, sondern alles, was du mir erzählt hast von dem Überfall, ist Schwindel, ist ausgesonnener Lug und Trug!“
„Denk das nicht; denk es ja nicht!“ fiel der Pädär schnell und ängstlich ein. „Alles, was ich erzählt habe, ist die reine, die lautere Wahrheit, die wir bereit sind, sofort durch einen Eid zu bekräftigen.“
„Ja, ich traue euch allerdings zu, daß ihr euch nicht besinnen würdet, diesen Meineid zu schwören! Ihr bleibt also dabei, daß Kara Ben Nemsi und der Haddedihn die Anführer der Beduinen sind, welche die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi überfallen haben?“
„Ja.“
„Zu welchem Stamm gehörten die Beduinen?“
„Das können wir natürlich nicht wissen, weil wir nicht mit ihnen gesprochen haben und es auch so dunkel war, daß wir irgend vorhandene Merkmale gar nicht zu sehen vermochten.“
„Und der Pischkhidmät Baschi ist tot?“
„Ja.“
„Wirklich und wahrhaftig tot?“
„Ja.“
„Ihr habt tatsächlich seine Leiche gesehen? Besinne
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