21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
worden, und die jetzigen wissen nichts von dir.“
„Hast du davon gesprochen, daß ein Abgesandter des Padischah angekommen ist?“
„Nein. Diese drei Männer sind so ahnungslos wie Hammel, welche nach der Tür drängen, hinter welcher sie geschlachtet werden sollen.“
„Dieser Vergleich ist nicht übel. Warte einen Augenblick!“
Ich wandte mich an den General, welcher mir mit der Frage zuvorkam:
„Du hast eine Idee; ich sehe es dir an. Habe ich recht?“
„Ja.“
„Welche?“
Er sprach arabisch und nannte mich also du. Ehe ich antworten konnte, ergriff der Sandschaki das Wort:
„Ich höre, daß die Karawane des Pischkhidmät Baschi überfallen und er mit den Seinigen ermordet worden sein soll. Hier steht er aber ja! Wie ist das zu erklären?“
„Auf so einfache Weise, wie dir heut noch manches andere auch erklärt werden wird“, erwiderte ich ihm.
„Wo aber ist der Haddedihn? Warum hast du ihn nicht mitgebracht?“ erkundigte er sich in höhnischem Ton. „Es scheint doch etwas vorgekommen zu sein, was du verschweigen mußt!“
„Wohl dir, wenn du so wenig zu verschweigen hast wie ich! Es wäre nur gut für dich, wenn du jetzt gar nichts sagst!“
Nun führte ich den General abseits und besprach mit ihm den Plan, den ich gefaßt hatte; er stimmte bei und traf schnell seine Anordnungen zur Ausführung desselben. Er blieb ganz allein in dem Zimmer; alle anderen begaben sich in das Nebengemach, aus welchem er vorhin mit dem Oberst gekommen war. Auch der Korporal mußte mit seinen Soldaten aus dem Vorraum zu uns kommen, denn wir brauchten sie sehr wahrscheinlich zur Arretur der drei Perser, welche mißtrauisch geworden wären, wenn sie eine solche Wache vor der Wohnung des Sandschaki angetroffen hätten. Diesem letzteren wurde streng bedeutet, daß er sich ganz ruhig und vollständig schweigsam zu verhalten habe, wenn er nicht Gefahr laufen wolle, seinem hohen Stand zuwider behandelt zu werden. Jedenfalls wurde es ihm, dem hier bisher Allgewaltigen, schwer, die Fügsamkeit zu zeigen, welche wir von ihm verlangten. Was mich betrifft, so postierte ich mich hinter den Vorhang, um jedes Wort hören und die Perser durch eine Lücke beobachten zu können.
Kaum daß diese Vorbereitungen getroffen worden waren, traten sie ein. Sie hatten erwartet, den Sandschaki zu sehen, und waren nicht wenig darüber betroffen, daß sie vor einem General standen, zu dem sie gar nicht gewollt und von dessen Anwesenheit sie nichts gewußt hatten. Man sah es ihnen an, wie verlegen sie waren. Ich hatte mich nicht geirrt, als ich annahm, daß es der Pädär mit seinen beiden Genossen sein werde.
„Ihr habt gewünscht, hier gehört zu werden. Was ist euer Verlangen, jetzt mitten in der Nacht?“ fragte Osman Pascha.
„Wir baten, mit dem Sandschaki sprechen zu dürfen“, antwortete der Pädär.
„Er kann nicht kommen; ich stehe an seiner Stelle hier. Also redet!“
Er sah sie so streng und durchdringend an, daß sie es nicht wagten, sich zu weigern. Der Pädär begann ziemlich kleinlaut:
„Unser Bericht ist eigentlich nur für den Gebieter des hiesigen Sandschak; aber da du behauptest, an seiner Stelle hier zu sein, so werden wir dir die Angelegenheit mitteilen.“
„Drückt euch höflicher und vorsichtiger aus! Ich behaupte gar nichts, sondern was ich sage, das gilt. Merkt euch das! Was ist es für eine Angelegenheit, die ihr mir vorzutragen habt? Ich hoffe, eine genug wichtige, um euer nächtliches Kommen zu entschuldigen!“
„Sie ist wichtig. Es handelt sich um den Überfall einer Karawane und einen zwölffachen Mord.“
„Welche Karawane?“
„Die Karawane des Pischkhidmät Baschi, welcher der Gast des hiesigen Gebieters gewesen ist. Sie ist vor einigen Stunden draußen bei den Ruinen überfallen und geplündert worden, wobei der Pischkhidmät Baschi mit seinen elf Begleitern das Leben verloren hat.“
„Wer sind die Mörder?“
„Der Christ und der sunnitische Haddedihn, welche hier schon wegen Mord, Leichenschändung und Schmuggelei vor der Mehkeme standen, aber entflohen sind.“
„Könnt ihr das beweisen?“
„Ja.“
„Wie?“
„Durch unser Zeugnis. Wir waren dabei und sind die einzigen, welche dem Blutbad entkommen sind.“
„Ihr werdet mir den Hergang dieses Ereignisses erzählen; vorher aber handelt es sich um den Brief, von dem die Rede gewesen ist.“
„Er ist für den Sandschaki“, meinte der Pädär verlegen.
„Ich stehe an seiner Stelle!“
„Er enthält eine
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