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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kampfbereit in das Gesicht, senkte aber vor dem Blick, dem er begegnete, die Augen, besann sich eines Besseren und erwiderte:
    „Ich weiß, daß ich gehorchen muß, wenn es sich um amtliche Angelegenheit handelt; dieser Brief aber ist in einer Privatsache an mich gerichtet!“
    „Oh! So kennst du bereits seinen Inhalt?“
    „Ja.“
    „Und weißt also, daß dieser Mann, obgleich er es leugnet, im Besitz eines Schreibens für dich ist?“
    „Behaupten kann ich es nicht; aber wenn er einen für mich hat, weiß ich genau, daß der Inhalt ein persönlicher, aber kein amtlicher ist.“
    „Warum dann die Angst des Überbringers? Warum die Weigerung, ihn vorzuzeigen?“
    „Eben weil der Inhalt nicht mein Amt, sondern eine Privatangelegenheit betrifft, welche sich auf meine Familie bezieht, um die sich kein Mensch und selbst kein Vorgesetzter, auch nicht die ‚Hand des Padischah‘, wie du dich nennst, zu kümmern hat!“
    „Wohlan! Wenn es so ist, wie du sagst, so werde ich ihn dir lassen. Der Mann mag das Schreiben herausgeben!“
    „Ich habe keins!“ behauptete der Pädär verstockt, indem er einen ohnmächtigen Versuch machte, trotz der ihn niederhaltenden Hände vom Boden emporzukommen.
    „Da er noch immer leugnet, scheint es doch, als ob das Schreiben nichts Unbedenkliches enthalte“, meinte Osman Pascha. „Man suche ihn aus!“
    „Wir brauchen gar nicht lange zu suchen“, warf ich ein. „Der Bote hat sich selbst durch seine Hand verraten, mit welcher er nach dieser Stelle griff. Wir werden ja gleich sehen!“
    Ich hatte mich bei diesen Worten niedergebückt und die Hand hinten unter den Gürtel des Persers, der sich nicht dagegen wehren konnte, geschoben. Ich fühlte sofort das, was ich suchte. Es befand sich im Innern der Hose hier, wo man sonst keine anzubringen oder zu suchen pflegt, eine Tasche, aus welcher ich das Schreiben zog. Ein schneller Blick zeigte mir die Adresse, mit der man den Brief vorsichtigerweise versehen hatte. Als ich mich wieder aufrichtete, schnellte der Sandschaki herbei, streckte die Hand aus, um mir meinen Fund zu entreißen, und sagte dabei:
    „Her damit! Das gehört mir! Du hast ihn gar nicht zu berühren!“
    Ich hielt den Brief ebenso schnell hinter mich, schob den aufgeregten Adressaten von mir weg und entgegnete:
    „Nimm dir nur Zeit; es handelt sich um die Adresse!“
    „Ist sie etwa die deinige?“ brüllte er mich wütend an.
    „Nein; aber sie enthält nicht bloß deinen Namen, sondern auch deinen Amtstitel. Der Abgesandte des Padischah mag entscheiden, ob daraus auf den amtlichen oder privaten Inhalt zu schließen ist.“
    Ich gab das Schreiben dem General. Der Sandschaki fuhr rasch auf ihn los, um es ihm zu entreißen; ich faßte ihn aber hinten am Kragen, drehte ihn mit einem Schwung um sich selbst herum und schleuderte ihn in die Ecke, wo er niederstürzte. Er raffte sich wieder auf, um seinen Angriff auf den Brief zu wiederholen, aber die anwesenden Offiziere, welche auch aus dem Nebenzimmer hereingekommen waren, stellten sich vor ihn und ließen ihn nicht aus der Ecke heraus. Da er wohl wußte, daß der Brief die Beweise seiner Schuld enthielt, wehrte er sich mit den Fäusten und mit ebenso kräftigen Worten, doch vergeblich. Der General las die Adresse, nickte mir zu und entschied:
    „Du hast recht. Die Aufschrift läßt auf amtlichen Inhalt schließen. Der Brief gehört mir!“
    Er öffnete ihn und las. Sein Gesicht wurde ernster und immer ernster. Als er zu Ende war, steckte er ihn zu sich, sah einige Augenblicke überlegend vor sich nieder und ging dann zur Tür des Vorzimmers, welche er öffnete.
    „Kol Agasi!“ rief er hinaus.
    Der Alte kam herein.
    „Gibt es eiserne Handfesseln hier?“
    „Ja, Hazreti. Sie hängen an Ketten unten im Khabu es Sidschn (Gefängniskeller), wo die gefährlichen Gefangenen untergebracht werden.“
    „Sind diese Gefängnisse fest?“
    „Fest? Allah, Wallah! Die Mauern sind mannesstark von Stein, der Boden ist von Stein, und die Decke ist auch von Stein. Es gibt kein Fenster, kein Loch darin, und die Türen sind so dick, daß man stundenlang arbeiten müßte, um ein kleines Loch hineinzubringen.“
    „Wieviel solcher Gelasse sind da?“
    „Wohl zehn oder zwölf habe ich gesehen, als ich unten war.“
    „Wer hat die Schlüssel?“
    „Der Syndandschi (Gefangenenaufseher). Soll ich ihn holen?“
    „Nein; ich gehe selbst, und du wirst mich zu ihm führen.“
    Er wandte sich hierauf zu mir und sagte deutsch:
    „Der

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