21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
alle Runzeln, Falten und sonstigen Übel, welche den Glanz der Wangen zu entstellen vermögen.“
„Du übertreibst!“
„Nein, bei Allah, nein! Könntest du den Stamm besuchen, dem die Verfertigerin der Salbe angehört, so würdest du nur Frauen und Mädchen finden, deren Angesichter wie das Weiß des Schnees und wie der holde Glanz des Morgenrots leuchten.“
„Weißt du, woraus das Mittel bereitet wird?“
„Nein. Wie kannst du denken, daß sie so unvorsichtig sein könne, mir dies mitzuteilen! Sie hat das köstliche Geheimnis durch ihre Urgroßmutter von deren Ur-Urgroßmutter geerbt; diese hatte wieder eine Urahne, deren Ur-Urahne, die eine außerordentlich fromme Frau war, es als Belohnung für ihre großen Tugenden vom Erzengel Dschebräïl (Gabriel) bekam, der es aus dem höchsten Himmel des Paradieses brachte, wo es zur ewigen Jugend der dort wohnenden Seligen bereitet wird.“
„Wie heißt diese Frau?“
„Ihren eigentlichen Namen kenne ich nicht, da sie von jedermann nur Umm ed Dschamahl (Mutter der Schönheit) genannt wird.“
„Wo wohnt sie?“
„Nirgends, denn ihr Stamm ist nicht seßhaft, sondern zieht bald hierhin und bald weiter. Es ist die Unterabteilung Idiz des Bachtijarenvolkes und meist jenseits Kirmanschah zu suchen.“
„Aber wenn du Salbe brauchst, mußt du doch wissen, wo die Frau zu finden ist!“
„Das erfahre ich stets beim Attar (Apotheker) von Kirmanschah, welcher das Mittel auch verkauft und von ihrem Aufenthalt stets unterrichtet ist. Dann suche ich sie auf und laß mir von ihr geben, was ich brauche. Ich sage dir, sie ist eine alte Frau, aber es ist noch nicht das kleinste Fältchen in ihrem Angesicht zu sehen. Wieviel Büchsen willst du von mir kaufen?“
„Wieviel kostet eine?“
„Einen Rijal medschidi.“
„So kaufe ich keine.“
„Warum?“
„Weil das mir zu teuer ist.“
„Zu teuer! Du scheinst entweder von Sinnen oder ein großer Geizhals zu sein. Wem für die Schönheit seines Harems eine so geringe Summe zu viel ist, dem muß ich meine Achtung entziehen. Erst legst du mir eine ganze Menge von Fragen vor, und nachdem ich sie dir alle mit der bereitwilligsten Höflichkeit beantwortet habe, bist du so undankbar, mir die Größe meiner Teuerung an den Kopf zu werfen, so daß mir die Röte der Scham auf das Angesicht treten würde, wenn diese Teuerung wirklich teuer wäre! Allah verderbe dich!“
Nach diesen Worten entfernte sich der Handelsmann. Zu meinem Erstaunen nahm der sonst so schnellhitzige Hadschi das Kraftwort ruhig hin. Er machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte zu mir:
„Ich würde diese Marham ed Dschamahl nicht gekauft haben, selbst wenn sie nur einen Para gekostet hätte, denn Hanneh, die unvergleichlichste unter allen Lieblichkeiten der Erde, würde nicht damit einverstanden sein.“
„Warum?“ fragte ich.
„Weil – – – hm!“
Er hielt verlegen inne und fuhr erst nach einer Pause fort, indem er mich fragte:
„Wenn ich es dir aufrichtig sage, wirst du dann falsch von Hanneh denken, welche die unvergleichlichste Person unter allen persönlichen Unvergleichlichkeiten ist?“
„Nein, gewiß nicht!“
„So bitte ich dich, mir die Wahrheit einzugestehen: Hat Emmeh, die niemals verschwindende Abendröte deines Harems, Runzeln im Gesicht?“
„Nein.“
„Oder wenigstens Falten?“
„Nein.“
„Kein einziges? Kein einziges ganz, ganz kleines Fältchen, so daß man es kaum sieht?“
„Nein.“
„Besinne dich, Sihdi! Ich bin überzeugt, wenn du genau nachdenkst, wird dir gewiß eine Falte einfallen, wenn auch nur diese eine, diese allereinzige.“
Ich wußte, was ihn zu dieser Dringlichkeit bewegte. Die orientalischen Frauen altern schnell, und Hanneh war eine Orientalin; sie hatte Falten. Das tat seiner Liebe freilich nicht den geringsten Eintrag; sie war für ihn heut noch ganz so wie vor Jahren die Schönste aller Schönen. Darum antwortete ich jetzt in schonender Weise:
„Meine Emmeh hat wirklich keine Falten, denn sie ist ja noch jung; aber wenn ich so lange mit ihr glücklich gewesen sein werde wie du mit deiner Hanneh, dann wird sie auch welche haben, und ich werde sie grad um dieser Falten willen noch mehr lieben als vorher.“
Da fiel er schnell und in zufriedenem Ton ein:
„Effendi, du bist ein guter Mensch, ein ganz genau so guter Mensch wie ich! Es läßt sich nicht verheimlichen, und da du so gute Augen hast, wirst du bemerkt haben, daß, obgleich meine Hanneh die schönste unter
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