21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
Und wenn ich meiner Hanneh die Salbe mitbringe, muß ich warten, bis die Wirkung sich nach und nach entwickelt; ich will aber die Wonne meiner Augen gleich bei meiner Heimkehr unzerknittert sehen; darum muß ich ihr schon vorher die Salbe senden; darum reite ich schon jetzt nach Kirmanschah, und darum suche ich schon jetzt die berühmte Bachtijarenfrau, um mir die süße Wonne des Angesichts meiner Hanneh von ihr geben zu lassen. Ich mache diese Reise gleich jetzt und unbedingt. Wenn du mich nicht begleiten willst, so muß ich allein reiten; aber es würde meiner Seele bitter weh tun, die Erfahrung machen zu müssen, daß dir ein solcher Herzenswunsch deines Halef, der allezeit für dich in den Tod gehen würde, gleichgültig ist!“
Hierauf wandte er sich von mir ab und schwieg.
Dieser unglückselige Salbenhändler! Warum mußte er grad während unserer Anwesenheit in dieses Kaffeehaus kommen und meinen Hadschi an die ‚Zerknitterung‘ seines Harems erinnern! Es war wirklich ein Unsinn, eines kosmetischen Mittels wegen einen so weiten, zeitraubenden und nicht ganz ungefährlichen Ritt zu unternehmen! Aber der Orientale hat keinen Sinn für die Kostbarkeit der Zeit, und so besaß Halef auch kein rechtes Verständnis für das Versäumnis, welches er von mir verlangte. Freilich konnte auch ich von einem Versäumnis im strengen Sinne eigentlich nicht sprechen. Ich hatte diesen Ritt unternommen, um Eindrücke und Erfahrungen als Stoff für reiseschriftstellerische Werke zu sammeln, und da konnte ein Abstecher von einigen Tagen recht wohl unternommen werden, ohne daß meine Absichten darunter zu leiden brauchten; ja, es war gar nicht unmöglich für uns, auf diesem Seitenpfad Interessanteres zu finden als auf dem Hauptweg. Und wenn ich diese Route eine nicht ganz ungefährliche nannte, so konnte ich nicht gegenteilig behaupten, daß der Weg den Tigris hinab und über den Golf nach Schiras hinüber nicht gefährlich sei. Sodann hatte ich mit den Eigenschaften meines Halef zu rechnen. Er liebte seine Hanneh über alles und ließ ganz gewiß keine Gelegenheit, ihr einen Wunsch zu erfüllen, unbenutzt vorübergehen; hier handelte es sich aber nicht um einen gewöhnlichen, sondern um einen sehr großen Wunsch von ihr. Wieviel kosmetische Mittel sind wohl auf dem Toilettentisch einer abendländischen Dame zu finden! Und eine Morgenländerin hat in dieser Beziehung einen noch ganz anderen, größeren Bedarf! Der unvertilgbare und keineswegs unberechtigte Trieb des weiblichen Wesens, in Beziehung auf die äußere Erscheinung möglichst eindrucksfähig zu sein, ist im Orient viel, viel stärker als im Abendland. Wie konnte ich es der guten Hanneh verdenken, daß sie den Wunsch hatte, ihrem Halef möglichst schön zu erscheinen! Und hier handelte es sich um ein Hauptschönheitsmittel. Mochte ich von demselben denken, was und wie ich wollte; mochte ich immer annehmen, daß die Wirkungen der Salbe gleich Null seien, ich hatte doch kein Recht, ihn zu hindern, zu tun, was ihr und also auch ihm Freude machte. Er hatte für mich so oft sein Leben gewagt und meinetwegen jetzt wieder Weib und Kind und seinen Stamm verlassen; er war zu jedem Freundesopfer für mich bereit; konnte ich ihm da nicht einige Tage schenken? Daß der Grund ein für mich sonderbarer war, für den ich unkosmetischer Westmann kein so rechtes Verständnis hatte, durfte doch nicht maßgebend sein. Zudem fiel mir ein, daß mehrere Unterabteilungen der Bachtijaren Ali-Ilahis sind und also zu einer Sekte gehören, von welcher ich zwar gehört und gelesen, aber keine Angehörigen persönlich kennengelernt hatte. Vielleicht bot sich mir da oben in der Gegend von Kirmanschah die Gelegenheit, diese Lücke auszufüllen. Das waren wohl genug Gründe, auf den Wunsch Halefs einzugehen, zumal es mir höchst spaßig vorkam, einen wochenlangen und anstrengenden Ritt vorzunehmen, um von einer alten, persischen Medikasterin eine ‚Einreibung‘ zu holen, doch machte ich noch einen Versuch, den Hadschi von seinem Vorhaben abzubringen.
„Kennst du die Unterabteilung der Bachtijaren, zu welcher die Umm ed Dschamahl gehört, lieber Halef?“ fragte ich ihn.
„Nein“, antwortete er kurz.
„Sie scheint nicht aus Leuten zu bestehen, denen man viel Vertrauen schenken darf.“
„Wieso?“
„Du hast vorhin von dem Händler den Namen gehört, welcher Idiz lautet. Weiß du vielleicht, welche Bedeutung dieses Wort besitzt?“
„Auch nicht.“
„Idiz ist ein kurdisches Wort und
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