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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Reich auf Erden ist und sich über mehr als zehntausend Gebirge, Ebenen, Seen und Flüsse erstreckt. Er hat mit mir alle Gegenden des Westens und Ostens, des Nordens und Südens durchritten, um Wunder des Mutes und der Tapferkeit zu verrichten. Seine Freunde lieben und seine Feinde fürchten ihn. Wir haben den Löwen getötet und den schwarzen Panther aus der Welt geschafft. Wir haben ganze Stämme der Beduinen besiegt und bei keinem Angriff den Rücken nach vorn und den Bauch nach hinten gehabt. Mein Emir spricht alle Sprachen der Völker, nennt alle Sterne des Himmels bei ihren angeborenen Namen und kann dir sagen, wie alle Tiere, Pflanzen und Steine heißen, die es gibt. Er ist der berühmteste Krieger, der weiseste Gelehrte und der herrlichste Mensch, den ich kenne. Sultane, Kaiser, Könige und Fürsten lauschen auf seine Wünsche, denn sie lieben und verehren ihn, und wenn sein Bericht über dich nach Stambul zum Seraskier kommt, so wird dieser die Schrift an seine Stirn drücken und dann, wenn er sie gelesen hat, jedes Wort mit demselben Gehorsam beherzigen, als ob es von der Hand des Beherrschers aller Gläubigen geschrieben worden sei. Daß wir jetzt deine Gefangenen sind, ändert nichts an unserm Ruhm, denn es ist nur der Zerbröckelung der Mauer zuzuschreiben, daß wir jetzt in einer Weise vor dir liegen, welche unserm Stand und unsern Eigenschaften so wenig angemessen ist. Von eurem Sandschaki in Hilleh will ich gar nicht sprechen, aber wenn der Pascha in Bagdad erfährt, daß wir nur noch eine Minute gefesselt geblieben sind, nachdem wir dir unsern Namen genannt haben, so wird aus seiner Kantscheleria (Kanzlei) ein Wetter über dich ergehen, welches von dir abzuwenden ich dir ernstlich rate, weil du durch die Vorzüglichkeit deiner Eigenschaften unsre Herzen gewonnen hast. Jetzt weißt du, wer wir sind, und wirst danach zu handeln wissen!“
    Der Hadschi hatte mehr als stark aufgetragen, aber der Orientale ist das gewöhnt, und der Kol Agasi war zu sehr Orientale, als daß ihn die Übertriebenheiten des Hadschi hätten befremden können; ich sah es ihm vielmehr an, daß sie den beabsichtigten Eindruck auf ihn nicht verfehlt hatten. Der in Aussicht gestellte Bericht an den Kriegsminister und die Drohung mit der Kanzlei des Pascha in Bagdad waren von guter Wirkung, welcher freilich seine Pflicht gegenüberstand. Er sah eine Weile überlegend vor sich nieder; dann schien er einen Entschluß gefaßt zu haben, denn er hob den Kopf und fragte mich:
    „Ist es so, wie der Scheik der Haddedihn gesagt hat, Emir?“
    „Ja“, antwortete ich unbedenklich.
    „So möchte ich der Gerechtigkeit, auf welche ihr euch berufen habt, gern Folge leisten, falls du mir die Möglichkeit bietest, es verantworten zu können.“
    „Wie denkst du dir diese Möglichkeit?“
    „Du kannst sie mir geben, indem du dich legitimierst.“
    „Nichts leichter als das. Mach mir die Hände frei, so will ich dir mehr Legitimationen zeigen, als du zu deiner Rechtfertigung brauchst. In meiner Tasche habe ich ein Bjuruldu, einen Tezkeresi und sogar auch einen Ferman, mit der Tughra (Unterschrift des Sultans) des Beherrschers versehen.“
    „Allah! Wirklich mit der Tughra?“ fragte er in ehrfurchtsvollem Staunen.
    „Natürlich!“ antwortete ich in einem Ton, als ob dies etwas ganz Gewöhnliches sei.
    „So laß diese hohen, kaiserlichen Schriften stecken; ich könnte sie jetzt bei dem schlechten Schein des Feuers doch nicht lesen; es ist aber ganz genau so, als ob ich sie gelesen hätte, Emir. Ich bitte dich, mir einen Rat zu geben! Die Unterschrift des Padischah gebietet mir, euch freizulassen; aber mir ist befohlen worden, euch nach Hilleh zu bringen. Hältst du es für möglich, beiden Pflichten zu gleicher Zeit gerecht zu werden?“
    „Ja.“
    „Auf welche Weise?“
    „Du gibst uns frei, und wir reiten mit euch nach Hilleh.“
    „Werdet ihr das auch? Wirklich?“
    „Ja. Ich gebe dir mein Wort.“
    „Dein Yrza mebni wad (Ehrenwort)?“
    „Ja.“
    „Ich nehme es an und bitte dich um die Erlaubnis, euch selbst loszubinden!“
    Er war infolge der kaiserlichen Unterschrift so von Hochachtung erfüllt, daß uns kein gewöhnlicher Soldat berühren sollte. Warum er darauf verzichtet hatte, die Legitimationen zu lesen, das war nicht schwer, zu erraten. Erstens konnte er höchstwahrscheinlich gar nicht lesen, und zweitens wußte er jedenfalls nicht, wie er ein in seine Hände gelangendes Dokument, mit der Tughra versehen,

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