Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
nie eine Bitte ausgesprochen, und grad deshalb stets Legitimationen mit der eigenhändigen Tughra des Großherrn besessen. Es ist mir natürlich nicht eingefallen, ihn zu fragen, auf welche Weise er zu der direkten Unterschrift gelange, doch als er beim erstenmal diese Frage in meinen Augen las, sagte er lächelnd: „Kismet etmeghe ogrenmejen effendilik dahi etmez (Wer nicht den Diener machen kann, der kann auch den Herrn nicht machen).“ Es braucht wohl nicht gesagt zu werden, daß eine Legitimation mit der eigenhändigen Tughra beim Vorzeigen einen ganz anderen Eindruck macht als eine gewöhnliche, im Jazy odassy (Büro) ausgestellte; ich habe das sehr oft beobachten können. Ein Beispiel davon ist die Ehrfurcht, welche die bloße Erwähnung jetzt dem Kol Agasi abnötigte.
    Der Wirt war so klug, ruhig zu sein, als er gebunden wurde; der Beduine aber räsonierte über diese unverdiente und unwürdige Behandlung eines ‚freien Mannes‘. Der Offizier hätte ihn gewiß auch zum Schweigen gebracht; dem kam aber Halef zuvor. Diesem war es bei seinem Temperament unmöglich, solche Reden anzuhören; er zog seine Peitsche aus dem Gürtel, trat zu dem Schimpfenden hin und sagte:
    „Was nennst du dich? Einen freien Mann? Siehst du nicht, daß du gefesselt bist? Ist ein Gefesselter frei? Wo hast du deinen Verstand? Oder wahrscheinlich ist, du hast niemals welchen gehabt, denn wenn nur eine kleine Spur davon in deinem Kopf wäre, so würdest du dich jetzt hüten, die Tür deines ungewaschenen, flatterigen Mundes zu öffnen. Mein Effendi hat dir schon gesagt, was und wie er von dir denkt; ich werde etwas hinzufügen, was die Größe deiner Erhabenheit sofort in die wahre Null deines Nichts verwandeln wird. Ihr habt euch uns gegenüber für Solaib ausgegeben, und nun stellt es sich heraus, daß ihr zu den Ghasais gehört. Warum diese Täuschung, diese Lüge? Ein freier, ehrlicher Ben Arab wird niemals seinen Stamm verleugnen. Ich würde lieber sterben, als verneinen, daß ich zu den Haddedihn gehöre. Und nun will der Mund, der uns belog, sich gar in ein großes, weit offenes Maul verwandeln, welches tut, als ob es uns verschlingen möchte! Klappe es zu, und halte es ja verschlossen, sonst zeichne ich dir meine Verachtung mit dieser Karbatsch so quer über das Gesicht, daß dich jedermann, solange du lebst, gleich als den Schuft erkennt, der du in meinen Augen bist! Wag nur ein Wort, so haue ich zu!“
    Er hob die Peitsche zum Hieb, es war ihm Ernst; der Beduine aber schwieg. Die Drohung des Hadschi hatte ihn doch eingeschüchtert.
    Nachdem sich die erst für uns so bedrohlich scheinenden Verhältnisse auf einstweilen ganz befriedigende Weise geklärt hatten, galt es nun die Frage unserer Rückkehr nach der Stadt. Ich legte sie dem Kol Agasi vor, und er antwortete:
    „Wenn es dir recht ist, Emir, brechen wir sogleich auf. Wir brauchen nicht zu warten, bis es Tag geworden ist, denn wir kennen ja den Weg.“
    „Lieber würde es mir sein, wir warteten.“
    „Warum?“
    „Der Schmuggler wegen.“
    „Die gehen mich nichts an. Du hast von mir schon gehört, daß es eine Beleidigung für einen alten, ehrenvoll gedienten Soldaten ist, den Zollspürhund zu machen.“
    „Ich habe es gehört und mute dir auch nicht zu, diesen Leuten des umgangenen Zolls wegen nachzulaufen. Es würde ein Dienst sein, den du mir erweisest.“
    „Wieso?“
    „Wir müssen ihre Spuren sehen, was doch jetzt bei Nacht nicht möglich ist.“
    „Warum ihre Spuren?“
    „Um unsere Unschuld feststellen zu können.“
    „Allah! Du sprichst in Rätseln! Was haben die Stapfen dieser Menschen mit eurer Unschuld zu tun?“
    „Es handelt sich darum, klarzulegen, daß wir nicht zu ihnen gehören. Wir suchen unsere Spur und dann die ihrige. Indem du, der du ja den dazu nötigen Scharfsinn besitzt, beide miteinander vergleichst, wirst du dich überzeugen, daß sie und wir einander nichts angehen, und kannst in der Mehkeme unser Zeuge sein, wofür ich dir die größte Dankbarkeit widmen werde.“
    Aufrichtig gestanden, war es mir weniger um sein Zeugnis zu tun, als vielmehr, um zu erfahren, ob die Spuren nach der von mir vermuteten Stelle führen würden. Der Alte wiegte nachdenklich den Kopf und erkundigte sich:
    „Wirst du in deinem Bericht an den Seraskier diesen meinen Scharfsinn mit erwähnen?“
    „Gewiß!“
    „So bleiben wir und warten, bis es hell geworden ist. Aber könnt ihr eure Pferde solange ohne Aufsicht lassen?“
    „Ja. Sie sind Radschi

Weitere Kostenlose Bücher