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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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obgleich er niemals zu laden braucht, soviel tausend- und millionenmal schießen, wie er will, denn es ist in der Hölle angefertigt worden, wo alle seine Ahnen und Urvorväter wohnen. Im Kampf könnt ihr nichts gegen ihn erreichen; es gibt nur ein einziges Mittel, ohne Schaden für sich selbst mit ihm fertig zu werden; das ist die List!“
    Ich hätte bei diesen Worten beinahe laut aufgelacht. Daß er in meiner Gegenwart die List empfahl, war doch ein gar zu auffälliger Beweis dafür, daß er selbst von diesem Artikel keine Spur besaß. Auch der Perser sah dies ein; er schaute ihn erstaunt an, schüttelte den Kopf und sagte:
    „Wir sollen uns nicht an ihn wagen, sondern listig sein? Und das sagst du uns vor seinen eigenen Ohren?“
    „Warum nicht? Er weiß es doch, ganz gleich, ob er es hört oder nicht, denn seine Verschlagenheit ist fast noch größer als die Stärke seines Körpers und die Unfehlbarkeit seiner Gewehre.“
    „Und da sollen wir ihn mit List überwinden? Willst du uns angeben, auf welche Weise, durch welche List?“
    „Das kann ich nicht, das ist eure Sache. Ich habe euch gewarnt und ihn euch übergeben; nun könnt ihr machen, was ihr wollt.“
    „Ich höre, daß du selbst eine Angst vor ihm hast, die gar nicht zu messen ist; ich aber fürchte mich nicht und weiß, was ich zu tun habe.“
    Das war nur Redensart; er fürchtete sich doch, denn anstatt einen tätlichen oder wörtlichen Angriff gegen mich zu unternehmen, wendete er sich an den in seiner Nähe stehenden Khandschi:
    „Du bist der von dem Pascha eingesetzte Aufseher dieses Khan?“
    „Ja, Hazreti“, nickte der Gefragte mit breitem, verlegenem Lächeln.
    Er hatte natürlich die Warnungen auch gehört, fürchtete sich infolgedessen ungeheuer vor Halef und vor mir und ahnte zu seiner größten Beunruhigung, daß man ihm zumuten werde, in irgendeiner Weise gegen uns vorzugehen.
    „Der Khan steht an dem Wege nach den heiligen Stätten der von Allah gesegneten und begnadeten Anhänger der Schia?“ fragte der Perser weiter.
    „Ja.“
    „Er ist also wohl nur für diese Rechtgläubigen vorhanden?“
    „Ja.“
    „Der Zutritt eines Ungläubigen muß als todeswürdige Entweihung dieses Ortes gelten?“
    „Ja.“
    „Und du hast darüber zu wachen, daß er die Bestimmungen erfüllt, für welche er errichtet worden ist?“
    „Ja.“
    „Und mit aller Strenge dafür zu sorgen, daß jede ungesetzliche und entwürdigende Benutzung unterbleibt?“
    „Ja.“
    Es machte mir außerordentliches Vergnügen, daß das wohlgenährte, runde Gesicht des Khandschi bei jedem Ja länger und immer länger wurde. Der Perser aber peinigte ihn noch weiter:
    „Du hast gehört, daß sich jetzt ein Christ innerhalb dieser Mauern befindet?“
    „Ja.“
    „So fordern wir dich auf, augenblicklich deine Pflicht zu tun! Die Anwesenheit dieses Menschen ist ein himmelschreiendes Verbrechen gegen Allah, gegen den Propheten, gegen die Gebote des Islam und gegen alle Bekenner desselben, welche sich hier befinden. Wir verlangen die schnellste und schwerste Bestrafung, hier gleich, vor unsern Augen! Hörst du wohl! Wenn du dich, was aber gar nicht möglich ist, weigern solltest, werde ich mich bei unserm Beherrscher der Welt beschweren, der deinen Padischah anhalten wird, dich mit zehnfacher Bastonade und dem Tod zu bestrafen!“
    Als der Oberste der Kammerherren jetzt seinen Strafantrag beendet hatte, war das Gesicht des Khanwächters so lang geworden, daß die weitere Verlängerung auch nur um ein Muh-i-Schutur (Breite eines Kamelhaars) eine absolute Unmöglichkeit war. In ganz demselben Maße war auch seine Verlegenheit gewachsen; er wußte weder wo ein noch wo aus, und das erweckte mein Mitleid für den harmlosen, friedfertigen Menschen. Ich ergriff deshalb das Wort, mich an ihn wendend:
    „Tritt näher zu mir her, Khandschi! Du hast bisher gehört, was andere meinen; nun sollst du auch unsere Ansicht kennenlernen. Aber sei höflich, sonst gehen unsere Gewehre augenblicklich los!“
    Er hatte solche Angst vor uns, daß er nur wenige Schritte tat, meiner Aufforderung zu folgen.
    „Ist dieser Khan wirklich nur für die Anhänger der Schia da?“ fragte ich.
    „Ja“, nickte er.
    „Für Andersgläubige ist er verboten?“
    „Ja.“
    „Bist du Schiit?“
    „Nein.“
    „Sind deine Soldaten Schiiten?“
    „Nein.“
    „Und doch seid ihr hier? Sogar als Beamte? Auch der Obeïda, welcher uns beschuldigt hat, ist kein Schiit. Ich achte das Gesetz, erwarte aber,

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