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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Kammerdiener, der unter seinem Befehl steht? Befinden wir uns etwa in Persien? Ihr seid hier fremd, und wir sind es auch; ihr seid hier eingekehrt, um auszuruhen, und wir befinden uns zu demselben Zweck hier; wir haben gleiche Rechte. Es ist mir vollständig gleichgültig, wer ihr seid; was geht es euch an, wer ich bin? Wenn euer Pischkhidmät Baschi mir einen Wunsch vorzutragen hat, so mag er zu mir kommen; zu befehlen hat uns hier kein Mensch etwas!“
    „Du willst also nicht hin zu ihm?“ erkundigte er sich in demselben rücksichtslosen Ton wie vorher.
    „Nein.“
    „So werden wir euch zu zwingen wissen!“
    „Versuche es! Du hast seine Nähe eine ‚beglückende‘ genannt; wir aber wissen, daß das Glück an ganz andern Orten zu suchen ist, als in der Nähe von Leuten, welche nicht einmal die Regeln der allereinfachsten Höflichkeit, die der gewöhnliche Mensch besitzen muß, kennengelernt haben.“
    „Das ist eine Beleidigung! Wenn ihr uns nicht gutwillig folgt, werden wir Gewalt anwenden!“
    Ich setzte mich an den Rand des Brunnens, nahm meinen Henrystutzen zur Hand, deutete auf eine fern von uns gezogene Schnur, an welcher der Khandschi (Aufseher des Khan) Zwiebeln aufgehängt hatte, und sagte:
    „Seht dort die Baßal (Zwiebel)-Reihe! Ich werde die ersten fünf auf der linken Seite treffen. Paßt auf!“
    Der Hof war groß; die Zwiebeln hingen in einer Entfernung von vielleicht neunzig Schritten von uns; ich drückte fünfmal los, und jeder Schuß traf die angegebenen Ziele. Einige der Perser eilten hin, um sich zu überzeugen; als sie wiederkamen, meldeten sie mit Erstaunen, daß ich alle fünf Zwiebeln, ohne wieder zu laden, obgleich mein Gewehr doch nur einen Lauf besitze, getroffen habe.
    „Es ist ein Zaubergewehr“, erklärte Halef. „Dieser weltberühmte Emir und Effendi schießt und trifft zehntausend- und noch mehrmal, ohne nur zu laden. Was seid ihr gegen uns!“
    Er machte dabei eine wegwerfende Handbewegung. Ich fügte in ruhigem Tone hinzu:
    „Ich wollte euch nur zeigen, was ihr zu erwarten habt, wenn ihr auch nur eine Hand gegen uns zu erheben wagt. Ihr seid zwölf Personen, und in zwölf kurzen Augenblicken werden euch zwölf Kugeln aus diesem Gewehr zur Erde gestreckt haben. Nun tut, was ihr nicht lassen könnt!“
    Sie standen da und schauten einander verlegen an. Der Henrystutzen hatte, wie immer, seine Schuldigkeit getan und ihnen Respekt eingeflößt. Der ‚Oberste der Kammerherren‘ war natürlich Zeuge des Vorganges gewesen; auch er war besorgt geworden; er rief seinen Leuten zu:
    „Geht weg von ihm! Mit so rücksichtslosen, groben und gewalttätigen Menschen, wie diese beiden Männer sind, können Leute, welche unter dem majestätischen Schutz des Allbeherrschers wandeln, nicht verkehren. Sie sind auf der tiefsten Stufe der Bevölkerung geboren und im Dunkel der Unwissenheit erzogen worden; darum ist ihr Betragen dasjenige ganz ungebildeter Personen; man beschmutzt sich mit ihnen. Wir verachten sie!“
    Auf diese Worte zogen sich seine Untergebenen augenblicklich von uns zurück; es trat aber noch eine andere Wirkung ein, die er wahrscheinlich nicht vermutet hatte. Mein leicht erregbarer und in Beziehung auf den Ehrenpunkt höchst empfindlicher Hadschi glaubte nämlich, die Beleidigung, welche in den Ausdrücken des Kammerherrn lag, nicht auf sich sitzen lassen zu dürfen. Er sprang von dem Brunnenrand, auf welchem er mit mir saß, herunter, schnellte zu dem Perser hin und herrschte ihn zornig an:
    „Was hast du gesagt? Von der tiefsten Stufe der Bevölkerung und dem Dunkel der Unwissenheit hast du gesprochen? Du kennst wohl diese Stufe und dieses Dunkel aus eigener Erfahrung sehr genau? Uns beiden sind sie unbekannt! Auch hast du gewagt, das Wort der Verachtung über deine niemals abgewischten Lippen zu bringen? Wer bist du denn eigentlich, daß es dir beifällt, in diesem hohen, aber halsbrecherischen Ton mit uns zu sprechen? Du kriechst in der Kammer deines Gebieters herum wie eine niedrige Sakkaja (Eidechse, Lurch) in den Löchern der Erde; du sinkst vor ihm auf die Knie und schlägst mit deiner Stirn den Boden zu seinen Füßen. Du bist ein Diener seiner Einfälle und ein Sklave seiner Launen. Die Kleider und die Waffen, in denen du dich brüstest, hast du dir nicht erworben wie ein Mann, welcher Ehre besitzt, sondern er hat sie dir geschenkt, weil du seinen Speichel wie Honig verzehrst. Wir aber sind die freien Herren und Gebieter unserer selbst. Wir tun, was uns

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