Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
beliebt, und beugen unsere Nacken vor Allah allein, aber vor keinem einzigen seiner Geschöpfe, auch dann nicht, wenn sich dasselbe so lächerlicherweise ‚Beherrscher der Welt‘ nennen läßt. Wer steht da höher, wir oder du? Und wem gehört die Verachtung, welche an unsere Ohren drang, uns oder dir?“
    Der kleine, mutige Kerl hatte diese Strafrede so schnell hervorgesprudelt, daß es unmöglich gewesen war, ihn zu unterbrechen; nun aber, als er eine Pause machte, um Atem zu holen, riß der Oberste der Kammerherrn den Dolch aus dem Gürtelshawl und antwortete in zornigem Ton:
    „Schweig, Hund! Wenn du noch ein einziges solches Wort sagst, steche ich dich nieder oder lasse dich durchpeitschen, daß dir die Haut auseinanderspringt!“
    Auch seine Leute nahmen eine drohende Haltung an; dem Hadschi aber viel es ganz und gar nicht ein, sich bange machen zu lassen. Er deutete auf mich, der ich den Stutzen schußbereit in den Händen hielt, und erwiderte, indem er laut auflachte:
    „Was sagtest du? Wie war das? Mich erstechen? Sieh dort meinen Effendi an! Ehe du den Dolch erhoben hättest, würde seine Kugel dir durch den Schädel fahren. Und mich schlagen lassen? Hast du eine Peitsche? Ich sehe keine. Schau aber du doch einmal her an meine Seite! Da hängt eine Karbatsch, welche aus liebevoll verbundenen Nilpferdhautstreifen zusammengeflochten ist; die hat schon mit dem Rücken manch eines Menschen gesprochen, der sich höher dünkte, als seine Nase reichte, und von uns niedergebogen wurde, um durch unsere Hiebe zur Demut und Bescheidenheit gebracht zu werden. Bilde dir ja nicht ein, daß wir uns vor euch fürchten, weil ihr zwölf Personen seid und wir sind nur zwei! Es ist uns niemals eingefallen, unsere Gegner zu zählen; je mehr ihrer sind, desto lieber ist es uns, und so sage ich auch euch ganz aufrichtig, was wir zu tun gesonnen sind: Mein Effendi hält euch mit seinem Gewehr in Schach; er wird jeden, der die Hand erhebt, sofort über den Haufen schießen; ich aber nehme, wie du siehst, jetzt meine Karbatsch vom Gürtel und schlage sie dem um die Ohren, der noch ein einziges Wort der Beleidigung zu uns spricht. Du hast mich ‚Hund‘ genannt; nimm dich in acht, und zwinge mich ja nicht, dir zu zeigen, wer hier als Herr auftreten und wer als Hund behandelt wird!“
    Er stand vor dem Perser, welcher von seinem Teppich aufgesprungen war, und fuchtelte ihm drohend mit der Peitsche vor dem Gesicht herum. Der Zurechtgewiesene war natürlich wütend; unter anderen Verhältnissen hätte er sich auch anders verhalten; aber er sah den Lauf meines Gewehres gerade auf sich gerichtet, und meinen Finger am Drücker, und das hielt ihn ab, zu handeln, wie er sonst gehandelt hätte. Vielleicht nahm er an, daß meine drohende Haltung nicht für ihn gefährlich sei, daß ich doch nicht schießen würde; aber zwischen Vermutung und Gewißheit ist ein großer Unterschied, und er besaß nicht den Mut, diesen Unterschied kennenzulernen. Man sah ihm an, daß er nach einer Weise suchte, sich ohne Blamage aus der Affaire zu ziehen, und es trat auch wirklich ein Umstand ein, der seiner Verlegenheit zu Hilfe kam.
    Die Szene hatte selbstverständlich die Aufmerksamkeit auch der andern im Khan Anwesenden erregt; sie waren herbeigekommen, um zu beobachten, wie dieselbe verlaufen werde. Da stand der Khandschi mit einigen Soldaten, welche ihm zum Schutz des Orts beigegeben waren. Er hatte als erster Beamter hier die Verpflichtung, auf Ruhe und Ordnung zu sehen, schien aber ein bequemer und wenig tatkräftiger Mann zu sein, dem es gar nicht einfiel, sich mit unserer Angelegenheit zu beschäftigen. Seine Soldaten lächelten vergnügt vor sich hin; ihnen machte das Intermezzo Spaß; das gab doch einmal eine amüsante Unterbrechung des alltäglichen und langweiligen Einerlei, zu dem sie hier verurteilt waren. Die Pilger, Leichentransporteure und anderen Personen verhielten sich ebenso. Nur einer von ihnen schien Lust zu haben, sich persönlich beteiligen zu wollen. Sein scharf geschnittenes, von der Sonne gebräuntes Gesicht war lebhaft bewegt; er blieb nicht ruhig stehen, sondern bewegte sich hin und her, um bald Halef, bald mich genauer und forschend zu betrachten. Ich sah es ihm an, daß er etwas vorhatte, und als er jetzt den Perser so unentschlossen stehen sah, trat er zu ihm hin, verbeugte sich tief vor ihm und sagte:
    „Hazreti (Hoheit), verzeih, daß ich ein Wort an dich richte! Ich kann dir über diese beiden Männer Auskunft

Weitere Kostenlose Bücher