21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
ich, viel mehr als zwölf bedeuten!“
Ich antwortete ihm nur mit einem Wink auf die Perser, und da begriff er mich. Die verblüffte Miene, welche der Kammerherr jetzt zeigte, bereitete mir mehr Genugtuung, als ich durch die Ausführung der Absicht Halefs gefunden hätte. Er starrte mich förmlich an und stieß, indem er mit dem Kopf schüttelte, die Worte hervor:
„Allah akbar – Gott ist groß! Wie groß aber auch ist mein Erstaunen!“
„Worüber?“ erkundigte sich Halef lachend.
„Daß ein Christ, ein Ungläubiger, der mich heut zum erstenmal sieht, es wagt, mich als den Abglanz des Beherrschers zu bestätigen!“
„Wenn du glaubst, daß dies ein Wagnis sei, so irrst du dich. Man sieht dir grad jetzt diesen Abglanz so deutlich an, daß ein Irrtum vollständig ausgeschlossen ist. Dein Gesicht strahlt uns in der ganzen Fülle seiner Weisheit entgegen, und wir sehen ein, daß du viel zu klug und zu erhaben bist, als daß wir dir das sagen dürfen, was wir dir eigentlich mitzuteilen hätten.“
„Mitzuteilen? Mir? Was meinst du?“
„Daß ihr euch in einer großen Gefahr befindet, von welcher ihr keine Ahnung hättet, wenn du nicht eine so große Leuchte des Scharfsinnes wärest.“
Der Perser mußte die in diesen Worten liegende Ironie heraushören; er hielt es aber, da es sich um eine Warnung handelte, für angezeigt, so zu tun, als ob er sie nicht bemerkt habe, und erkundigte sich weiter:
„Du sprichst von einer Gefahr. Meinst du, daß sie sich auf mich, auf uns bezieht?“
„Natürlich auf euch; ich habe ja soeben gesagt, daß sie euch bedrohe. Wenn sie uns beträfe, würden wir kein Wort darüber verlieren, denn die Gefahr ist die Luft, in der wir leben und das Wasser, an welchem wir uns täglich erquicken. Wir lieben die Gefahr; wir können und mögen ohne sie nicht sein, und je größer sie ist, desto lieber haben wir sie. Wir kennen diese eure Gefahr sehr genau, denn wir haben selbst auch schon in ihr gesteckt und ihr dabei gezeigt, daß wir mit ihr spielen, so ungefähr, wie zwei Riesen mit einem Zwerg scherzen.“
Es war lächerlich, daß der kleine Kerl sich mit einem Riesen verglich; er nahm eben den Mund wieder einmal recht voll, was mir, als dem Europäer, natürlich mehr auffiel als dem Perser, welcher die Ausdrucksweise des Hadschi für ganz selbstverständlich zu halten schien und seine Nachforschung in gespannter Weise fortsetzte:
„Ich wüßte nicht, was für eine Gefahr uns bedrohen könnte. Wir stehen unter dem mächtigen Schutz des Schah-in-Schah und sind überzeugt, daß uns nirgends etwas geschehen kann.“
„In Persien mögt ihr von diesem Schutz sprechen, aber nicht hier. Ihr habt ja vorhin gesehen, wie gering seine Macht gegen unsern Willen war. Sag mir doch einmal, ob deine Truppe einen besonderen Namen hat!“
„Was sollte sie für einen besonderen Namen haben? Sie ist eine Karawane wie jede andere auch.“
„Du irrst. Sie besitzt einen Namen, den man ihr gegeben hat, ohne daß du etwas davon weißt.“
„Welchen?“
„Man nennt sie die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi.“
„Diesen Namen wirst du ihr wohl in diesem Augenblick erst selbst gegeben haben!“
„Nein. Wir haben ihn gekannt, längst ehe wir dich sahen. Wir wußten, daß diese Karwan-i-Pischkhidmät Baschi unterwegs sei und erwartet werde, und als wir euch hier trafen, erkannten wir euch sofort. Darum nur konnte mein Effendi gegen den Khandschi behaupten, daß du der Oberste der Kammerherren seist.“
„Der Sinn deiner Rede ist mir außerordentlich dunkel. Du sagtest, daß unsere Karawane erwartet werde. Ich frage dich, wo und von wem? Wir haben uns in tiefster Verborgenheit zur Reise gerüstet und sind so heimlich aufgebrochen, daß niemand etwas von uns wissen kann.“
„Allah hat erlaubt, daß Menschen vorhanden sind, welche schärfere Augen und Ohren besitzen, als du zu haben scheinst. Eure Vorbereitungen sind beobachtet worden; man weiß, daß ihr kostbare Waren geladen habt, um sie nach den heiligen Stätten zu bringen. An euerm Weg warten Räuber, denen eure Ankunft bereits gemeldet worden ist. Ihr sollt überfallen werden, und wenn ihr nicht auf unsere Warnung hört, so ist es nicht nur um das Eigentum des Schah-in-Schah, sondern wahrscheinlich auch um euer Leben geschehen.“
Ich hatte den Hadschi nicht unterbrochen; er fühlte sich als der Herr der Situation und diesen für ihn so großen Genuß wollte ich ihm nicht verkümmern. Dabei nahm ich als ganz selbstverständlich an,
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