21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
weitern Weg wünschten.
Der Sicherheit wegen und um die Perser zu täuschen, damit sie erwarteten Falls die von uns beabsichtigte Richtung dem Säfir nicht verraten könnten, folgten wir dem nach Khan Nasrijeh führenden Weg so weit, bis man uns nicht mehr sehen konnte, und wendeten uns dann links, um auf geradem Wege durch das wüste Feld den Euphrat zu erreichen.
Halef dachte, wie das so seine Gewohnheit war, zunächst still über unsere letzte Begegnung nach; dann, als er sich alles zurechtgelegt hatte, erkundigte er sich:
„Du hast diesem allerdümmsten der persischen Kammerherren gesagt, daß er uns sehr bald wiedersehen werde. War dies nur eine Redensart, oder denkst du wirklich, daß wir wieder mit ihm zusammentreffen werden?“
„Ich denke es nicht nur, sondern ich bin sogar überzeugt davon.“
„Weißt du schon auch den Ort dieses baldigen Wiedersehens?“
„Nein, denn ich weiß ja nicht, wo der Säfir sich über die Karawane hermachen wird. Auf dem Wege von dem Khan, den wir eben verlassen haben, bis nach Hilleh kann dies unmöglich geschehen, in der Nähe der heiligen Stätten auch nicht, also höchstwahrscheinlich kurz hinter Hilleh, und da eignet sich kein Ort besser dazu als das Ruinenfeld von Babylon. Wenn ich mich in alles hineindenke, ist es mir nicht schwer, zu erraten, wie das Ereignis vor sich gehen wird.“
„Du weißt, daß mein Verstand nur lange und schwere Arbeiten gewöhnt ist; mit kürzeren Dingen, wie zum Beispiel das Erraten ist, gibt er sich grundsätzlich niemals ab. Darum bitte ich dich, die Kostbarkeit der Zeit in Betracht zu ziehen und mir gleich zu sagen, was deine Vernunft, welche kürzer als die meinige ist, sich ausgesonnen hat!“
„Es scheint, daß meine Vernunft trotz ihrer Kürze mehr wert ist als deine so lang ausgestreckte, lieber Halef!“
„Irre dich nicht, Sihdi! Ich mag dir doch nicht zutrauen, der ganz verkehrten Ansicht zu sein, daß eine lang ausgedehnte Klugheit durch diese Ausreckung dünner wird!“
„Diese Frage wollen wir, obgleich sie höchst wichtig ist, doch lieber unerörtert lassen. Du weißt, daß der Säfir sich in Hilleh befindet. Der Pädär-i-Baharat, dem wir begegnet sind, wird ihn dort treffen und ihm mitteilen, daß das Eintreffen der Karwan-i-Pischkhidmät Baschi in kurzer Zeit zu erwarten ist. Der Säfir, von dem ich vermute, daß die Perser ihn nicht persönlich kennen, wird ein ganz zufällig erscheinendes Zusammentreffen mit dem Kammerherrn herbeiführen und sich bemühen, sein Vertrauen zu erwerben. Ich bezweifle nicht, daß ihm dies gelingen wird, und dann hat er die Karawane in den Händen. Er wird sie verleiten, denjenigen Weg einzuschlagen, welcher seinen Absichten entsprechend ist – – –“
„Sihdi“, fiel da Halef ein, „jetzt ist deine Kürze mit meiner Länge zusammengetroffen; ich verstehe dich! Der Säfir wird sich sogar an die Spitze der Karawane stellen, um sie in das Verderben zu führen.“
„Nein, das wird er wohl nicht.“
„Warum nicht?“
„Er ist wahrscheinlich zu klug dazu.“
„So hältst du diese meine Ansicht also nicht für eine vortreffliche?“
„Allerdings nicht, trotz der ungeheuern Länge deiner Vernunft. Es muß doch später unbedingt herauskommen, daß die Karawane verunglückt ist. Hätte er sich ihr beigesellt, so würde man ihn zur Verantwortung ziehen, und das hat er zu vermeiden.“
„Höre, Sihdi, die Kürze deines Verstandes ist wirklich nicht ganz übel! Sie hat auch ihre Vorteile, und ich bin, wie du siehst, gerecht genug, dich hiervon zu benachrichtigen.“
„Ich danke dir und hoffe, daß diese deine Gerechtigkeit sich auch fernerhin bewähren werde! Also ich vermute, daß der Überfall an irgendeiner Stelle des Trümmerfelds vor sich gehen wird, und ich bin der Ansicht, daß diese Stelle nicht weit von derjenigen liegt, wo wir die Schmuggler belauscht haben.“
„Warum dort?“
„Weil sich in der Nähe das Versteck befindet, in welches man die Beute höchstwahrscheinlich schaffen wird. Gleichgültig ist es uns natürlich, durch welche Vorspiegelungen man die Karawane dorthin lockt; Hauptsache ist, daß wir denselben Platz zum heutigen Ziel haben. Wir werden, wie ich hoffe, noch vor der Karawane dort ankommen und ihr, vorausgesetzt, daß wir sie finden, gegen den Säfir Beistand leisten.“
„Ja, das werden wir, Effendi, das werden wir!“ stimmte er begeistert bei. „Das müssen wir ja schon um des Sandschaki willen.“
„Allerdings!“
„Wir
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