21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
meinen kleinen, pfiffigen Hadschi freute. Die von ihm angegebenen Erklärungen und Gründe waren, besonders auch infolge der Art und Weise, wie er sie vorgebracht hatte, so vortrefflich, daß er seine Sache gar nicht besser hätte machen können. Der Pädär schien vollständig überzeugt zu sein, daß ihm die Wahrheit gesagt worden sei, denn er versetzte:
„Über die Beleidigungen meines Verstandes werde ich später mit dir abrechnen, denn in diesem Augenblick bin ich zur Milde geneigt, weil du meinem Befehl Folge geleistet und mir die geforderte Auskunft gegeben hast. Darum will ich dir auch als Belohnung deiner Fügsamkeit sagen, daß alle eure im Khan Nasrijeh angewendete Vorsicht vergeblich gewesen ist, denn wir werden doch alles bekommen, was ihr dort in Verwahrung gegeben habt.“
„Hast du vielleicht die Absicht, mich zum Lachen zu bringen?“ fragte Halef. „Bilde dir ja nichts über meine Fügsamkeit ein! Alles, was ich tue oder sage, das sage und tue ich nur, weil es mir gefällt, nicht aber aus Gehorsam gegen dich oder einen andern Menschen. Und der Effendi, den wir erwarten, wird sich hüten, sich auf irgendeine Weise das ablocken zu lassen, was er uns in Burdsch Awaineh zu übergeben hat!“
„Du redest wie ein unerfahrener, blinder Knabe, welcher nicht sieht, was vor ihm liegt. Ihr werdet ja gar nicht nach Burdsch Awaineh kommen, sondern wir werden uns dort befinden und ihn in einer Weise empfangen, daß er niemals daran denken wird, die rechtgläubigen Bewohner dieser Gegend durch seine ungläubige Gegenwart zu beleidigen. Pferde und Waffen, wie die eurigen sind, läßt man sich nicht entgehen, wenn man sie einmal gesehen hat.“
„So hätte ich dich also zu der Sorte von Menschen zu rechnen, welche man Diebe oder gar Räuber nennt?“
„Ja, tue das; tue es getrost!“ lachte der Pädär. „Du hast überhaupt gar keine Ahnung von unsern – – – ah, schaut, der Christ bewegt sich! Seine verlorene Seele scheint zurückgekehrt zu sein, um von uns zu erfahren, daß wir sie zur Hölle senden werden.“
Meine Augen waren zwar noch nicht ganz vom Sand frei, aber ich konnte sie doch wenigstens für kurze Augenblicke öffnen und hielt es darum für an der Zeit, ein Lebenszeichen zu geben. Als er dies bemerkte, schürte er das Feuer heller, um mein Gesicht ganz deutlich sehen zu können, und sprach mich höhnisch an:
„Sei gegrüßt, o tapfrer Held der Ziegelsteine, nach denen ihr in Burdsch Awaineh graben wollt! Dein Erwachen gibt meiner Seele Trost und lindert mir den Schmerz, den ich empfand, als ich dich für tot hier liegen sah. Ich bin voller Begierde, euch hier am Euphrat die Freundschaft zu vergelten, die ihr uns am Tigris erwiesen habt. Es wird mir eine Wonne sein, mit der Peitsche in die Tiefen deines Körpers einzudringen und das Geheul der Angst und des Schmerzes zu vernehmen, mit welchem ihr zur Hölle fahren werdet!“
Hierauf zu schweigen, hätte als ein Zeichen der Furcht gelten können, darum antwortete ich zunächst mit einem kurzen, verächtlichen Lachen.
„Lache nicht, Hund!“ fuhr er zornig auf. „Du scheinst noch nicht zu wissen, wo und bei wem du dich befindest, öffne deine Augen, und schau mich an! Kennst du mich?“
Ich warf ihm einen Blick zu und lachte wieder.
„Allah vernichte dich! Du hast mich erkannt und lachst dennoch abermals! Ich sage dir, daß diese deine erzwungene Lustigkeit sich sehr bald in das Gejammer der Verzweiflung verwandeln wird! Du hast keine Ahnung von dem Schicksal, welches dich erwartet!“
„Mein Schicksal kenne ich freilich nicht, denn das steht in Allahs Hand; dafür aber kenne ich das deinige um so besser, weil ich es bin, der darüber zu bestimmen hat“, antwortete ich nun.
„Habt ihr gehört, was er jetzt sagte? Indem sein Kopf, als ihr ihn hierher brachtet, auf der Erde schleifte, ist der Inhalt dieses verruchten Schädels verletzt worden. Der Kerl ist wahnsinnig, vollständig wahnsinnig; das bestätigen die verrückten Worte, welche aus seinem Mund gekommen sind. Wie schade, wie jammerschade das ist! Nun hat er nicht Verstand und Gefühl genug, die unendliche Liebe zu begreifen, mit welcher wir uns seines Glücks und seines Wohlbefindens annehmen werden. – – – Horch – – –!“
Es war vom Fluß her ein Pfiff erklungen, dem jetzt ein zweiter und dann ein dritter folgte. Die Anwesenden sprangen alle auf, Halef und mich natürlich ausgenommen.
„Sie kommen schon!“ sagte der Pädär. „Sie kommen
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