21 - Stille Wasser
menschlicher Existenzen... Ich habe noch nicht herausgefunden, ob sie einfach nur ein grausames Spiel mit uns spielen, indem sie uns erst grenzenloses Glück versprechen, um uns anschließend umso tiefer in Verzweiflung zu stürzen, oder ob ihr Verhalten lediglich dem unergründlichen Plan der Natur folgt. Doch so oder so, ich werde nicht eher ruhen, bis ich sicher bin, dass niemals mehr ein Mensch von diesen seelenlosen Kreaturen lebenslangem Elend ausgesetzt wird.«
Cordelia sank immer mehr in sich zusammen. »Ich, äh, sicher. Das ist wirklich sehr tapfer von Ihnen.« Sie hatte das Gefühl, am Rande einer hohen Klippe zu stehen und langsam, aber sicher die Balance zu verlieren. Auf der einen Seite war da Ariel. Entzückend und völlig hilflos. Nicht gerade das, was man in einer Stadt, in der Vampire und Dämonen die nächtlichen Straßen unsicher machten, als größere Bedrohung bezeichnen würde. Auf der anderen Seite schien Dr. Lee von dem, was er behauptete, felsenfest überzeugt zu sein. Und es hatte sogar einigermaßen plausibel geklungen. Man brauchte sich nur Angel anzusehen. Er sah super aus und war trotzdem ein Vampir. Nicht allen Wesen der Finsternis stand ihre üble Natur ins Gesicht geschrieben.
»Ich möchte Sie warnen, Ms. Chase, Ihre Freunde befinden sich in großer Gefahr. Sie sind dem Charme des Selkies völlig verfallen. Doch es wird nicht zögern, ihnen ein Leid anzutun, wenn es seinen Zwecken dienlich ist.«
Bitte, dachte Cordelia, ein gebrochenes Herz bedeutet doch nicht gleich, dass ausnahmslos alle Selkies gefährlich sind. Maßlose Übertreibung – offensichtlich nicht bloß was für kleine Kinder. »Mein Gott, wie die Zeit vergeht.« Cordy lächelte ihn mit einem Ausdruck des Bedauerns an. »Ich muss jetzt aber wirklich los. Unterricht, Sie verstehen?«
Er machte nicht den Versuch, sie aufzuhalten. »Denken Sie daran, Ms. Chase. Solange sie dieses Selkie beherbergen, solange sie seinem Charme erliegen, befinden sich Ihre Freunde in akuter Gefahr.«
Sie nickte. »Okay. Ich werde es nicht vergessen.«
Was sie tatsächlich am liebsten getan hätte, war, diese ganze Begegnung komplett aus ihrem Gedächtnis zu löschen, so wie man Straßendreck von seiner Schuhsohle putzt. Doch dafür war es zu spät. Sein Gesicht, seine gequälten Züge, hatten sich fest in ihr Gedächtnis eingebrannt und kämpften nun mit Ariels offenherzigen und vertrauensseligen braunen Augen um die Vorherrschaft.
Na gut. Würde sie eben auf einen Sprung in der Bibliothek vorbeischauen, Giles eine kurze Warnung zukommen lassen und dann, bevor irgendeiner der anderen eine blöde Bemerkung machen konnte, zusehen, dass sie dort wieder herauskam. So würde jede Partei von der anderen wissen, was diese im Schilde führte. Perfektes Gleichgewicht der Kräfte, richtig? Und was immer danach auch geschehen mochte, nun, es war auf jeden Fall nicht mehr ihr Problem.
Nicht, dass sich Cordy Sorgen machte. Nein, ganz bestimmt nicht. Sie machte das lediglich... aus Gründen der Fairness.
12
»Hmmm«, grummelte Giles. »Nun ja.«
»Hallo?«, fragte Buffy ungeduldig. »Ja?«
»Einen Moment, bitte«, gab er mürrisch zurück, offensichtlich verärgert über die Unterbrechung. Mit der Lupe in der Hand untersuchte er minuziös die schmutzverkrustete grüne Haarsträhne, die Buffy ihm vor die Nase gelegt hatte, ungeachtet des Umstands, dass sie mittlerweile wie ein Fisch stank, der das Meer bereits seit längerer Zeit nicht mehr gesehen hatte.
Natürlich war das nichts im Vergleich zu dem, wonach die Bibliothek an diesem Morgen gerochen hatte, dachte Buffy. Giles war sogleich zu seinem Treffen mit diesem Dämono irgendwas -Typen aufgebrochen und hatte sich den halben Tag nicht mehr blicken lassen. Also war ihnen nichts anderes übrig geblieben, als sich unverrichteter Dinge wieder in ihre Unterrichtsräume zu schleppen und, wie in Buffys Fall, an einem kleinen Überraschungsquiz teilzunehmen, das offenbar für alle anderen in ihrer Klasse überhaupt nichts Überraschendes hatte.
Echt unfair, befand sie. Und noch unfairer war es, dass Giles sie sich gleich nach Schulschluss gekrallt hatte, damit sie ihm bei den Tests behilflich waren, die sein Kumpan ihm vorgeschlagen hatte. Willow, ihres Zeichens ambitionierte Junior-Wächterin, mochte diesen ganzen Firlefanz ja vielleicht faszinierend finden, doch sie bekam davon bloß Ausschlag.
»Ja, das sollte funktionieren«, sagte Giles, mehr zu sich selbst, und griff nach einer großen
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