21 - Stille Wasser
rechtmäßige Beute.
Und nun hatte es, was immer es war, diesen streng bewachten Schleichweg entdeckt, über den man direkt ins Herz Sunnydales gelangte – und in das des Höllenschlunds. Wieder entwich seiner Kehle ein Fauchen. Schlimm genug, dass er sich seine Jagdgründe mit anderen Vampiren teilen musste, die es in die Nähe der unheiligen Glut des Höllenschlunds zog wie die Motten zum Licht. Aber einen weiteren Beutejäger hier zu wissen, der ihrer Mahlzeit hinterherstellte...
Dann sah er sie und einen fatalen Moment lang blieb er vor Bestürzung wie zur Salzsäule erstarrt stehen. Nicht Mensch, nicht Dämon... wer oder was waren diese grünhäutigen, grünhaarigen... Kerle? Solchen Wesen war er noch niemals begegnet, weder in den sechzig Jahren seines Untoten-Daseins noch in den dreißig Jahren zuvor. Sie rochen nach eben erst vergossenem Blut, nach jungem Fleisch, und über allem lag des Aroma des Meeres, der offenen See...
Und dann waren sie über ihm und er hatte gerade noch Zeit für zwei flüchtige Gedanken: Die Kreaturen, woher auch immer sie kamen, besaßen wie er spitze, scharfe Zähne, und sie taten fürchterlich weh!
Er verlor unter ihrem Angriff das Gleichgewicht und glitt auf dem schlüpfrig nassen Untergrund aus. Ein hohler, pfeifender Schrei brach aus seiner Kehle hervor, als er spürte, wie große Fetzen von Haut und Muskeln aus ihm herausgerissen wurden. Nicht einmal Sterben hatte so wehgetan, nicht einmal Sterben hatte so lange gedauert...
Schließlich ließen sie von ihm ab und er klatschte hart mit dem Gesicht in die Abwasserbrühe, über sich das unverständliche hohe Gezwitscher seiner Überwältiger.
Die erzürnten Merrows, empört darüber, dass das, was sie für leichte menschliche Beute gehalten hatten, sich nun als etwas völlig anderes erwies, sollten von dem weiblichen Vampir, der sich in einiger Entfernung leise davonstahl, niemals erfahren.
Auch sie hatte von den Gerüchten gehört. Doch sie war älter und ein wenig klüger als ihr unglücklicher Kamerad. Als Kritikerin hatte sie dereinst Karrieren verkürzt, so wie sie nun Menschenleben verkürzte, und sie wusste, wann eine Sache verloren war. Sie hatte nicht die geringste Chance. Nicht gegen so viele von ihnen. Die anderen mussten von diesem Vorfall erfahren, durften nicht in Unkenntnis darüber gelassen werden, dass die Gerüchte, falls man überhaupt noch von solchen sprechen konnte, der tatsächlich drohenden Gefahr in keinster Weise gerecht wurden.
Es gab nicht viele Dinge, die die Vampirgemeinde Sunnydales unter einer Flagge zu einen vermochten. Dazu brauchte es schon einen Meister, einen unglaublich starken Vampir, der dazu in der Lage war, sie zur Zusammenarbeit zu zwingen...
Das konnte sie vereinen – oder die Bedrohung durch etwas, das nicht einmal Dämonen fürchtete.
6
Dusche, an. Wasser, läuft. Handtuch, bereit. Mechanisch kämpfte sich Buffy durch die morgendliche Routine, die Augen halb geschlossen und noch gar nicht ganz wach. Die Jägerin in ihr hatte dienstfrei und der übernächtigte Teenager die Herrschaft übernommen.
Sie hängte ihren Morgenmantel an den Türhaken und torkelte zur Dusche zurück, um die Wassertemperatur zu prüfen. Nachdem sie einen ganzen Tag und beinahe die gesamte Nacht damit zugebracht hatte, halb Sunnydale auf den Kopf zu stellen, um nach Spuren von etwas zu suchen, das für den Tod der vier Jugendlichen verantwortlich war, würde an diesem Morgen nichts, was nicht wenigstens annähernd Siedetemperatur besaß, sie wirklich wach bekommen können. Wäre da nicht der gemeinsame Brunch gewesen, den sie ihrer Mutter versprochen hatte, würde sie jetzt immer noch eingemummelt unter ihrer warmen, kuscheligen Bettdecke stecken, den Kopf in die Kissen vergraben, und den Schlaf der Gerechten schlafen.
Andererseits ist ein wenig Verzicht auf Schlaf ein akzeptabler Preis für belgische Waffeln, dachte Buffy. Außerdem bin ich es ja ohnehin gewohnt, mich herumzutreiben, wenn jeder normale Mensch an seiner Matratze horcht.
Sie öffnete die Duschkabine und dicke Dampfschwaden quollen ihr entgegen, verteilten sich im Raum und ließen Temperatur wie Luftfeuchtigkeit rapide ansteigen. Buffys schlafverkrustete Augen öffneten sich einen weiteren Millimeter und ihre Lebensgeister schienen bei der Aussicht auf eine ausgiebige heiße Dusche allmählich zu erwachen.
In der Tat bestand der einzige Haken an ihrem Vormittagsprogramm in dem Umstand, dass nach all den Waffeln, dem
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