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210 - Unter dem Vulkan

210 - Unter dem Vulkan

Titel: 210 - Unter dem Vulkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Fellen.
    Die Augen des vor ihr stehenden Glatzkopfs flackerten panisch. Keine Frage: Onkel Jules war ein Nervenbündel.
    Almira wusste sofort, wer daran Schuld war: der bleiche Fremde!
    »Almira… Meine liebe Nichte…«
    Urghhh… Wenn ihr Onkel diesen Ton anschlug, war die größte mögliche Katastrophe diesseits des Victoriasees im Anmarsch. Wenn nicht gar etwas Schlimmeres.
    »Was ist denn passiert?« Almira schaute sich um. Sie waren wirklich allein im Laden. »Wer ist der Mann, Onkel Jules? Was will er hier? Und wieso haben die Boiis die Kutschen aus dem Stall geholt?«
    »Pssst, Nichte! Nicht so laut…« Onkel Jules blickte sich furchtsam um. Vor wem hatte er Angst? »Komm mit. Sei leise.«
    Almira fühlte sich an die Hand genommen. Onkel Jules zog sie an der Ladentheke und den Regalen vorbei. In der hintersten Ecke, neben einem kleinen vergitterten Fenster, blieb er stehen.
    »Was ist denn, Onkel? Wovor hast du Angst?«
    Onkel Jules zuckte zusammen. »Angst? Ich?« Er schüttelte den Kopf und riss sich zusammen. »Ich hab doch keine Angst…!«
    Almira glaubte ihm kein Wort. »Wer ist der unheimliche Mann da draußen?«
    »Der Gesandte des Propheten, unseres Herrn.« Ihr Onkel zuckte die Achseln. Seine Miene kündete von großem Respekt, doch seine Körpersprache sagte, dass er den Fremden tief unter die Erde wünschte. »Vergiss nicht, dass wir Maitre Magnan alles verdanken, was wir haben.« Er deutete auf den Laden, der ihm nicht gehörte. »Er kleidet und ernährt uns…«
    »… mit Hafergrütze.« Almira verzog das Gesicht. Wie schön wäre es doch gewesen, wenn ihr Onkel ein Held gewesen wäre. Aber sie hatte heute einen Fisch gefangen, und man konnte halt nicht alles haben.
    »Höre ich da Ironie in deiner Stimme?« Ihr Onkel eilte an die schmale Tür, die in sein Büro führte. Er lugte durchs Schlüsselloch, als wolle er sichergehen, dass sie nicht belauscht wurden. »Der Tag ist gekommen«, sagte er dann.
    Almira machte große Augen. »Welcher Tag?«
    »Du bist nun achtzehn Jahre alt«, sagte Onkel Jules. »Da ist es an der Zeit, gewisse Dinge ins Auge zu fassen.«
    »Ich bin siebzehn«, sagte Almira.
    »Sei nicht so kleinlich.« Onkel Jules deutete auf das kleine Fenster – hinter dem, nahm Almira an, der Gesandte des Propheten noch immer sein scharlachrotes Kamshaa saufen ließ. »Vor fünf Jahren, als Maitre Magnan uns mit seinem Besuch beehrte…«
    Almira runzelte die Stirn. Das sollte sie verpasst haben? »Ist mir gar nicht aufgefallen.«
    »Er hat sich unter seine Vasallen gemischt, weil er es verabscheut, dass man ihn bevorzugt, weil er ein so großer Warlord ist.« Onkel Jules schaute mit glänzenden Augen auf.
    »Damals fiel sein wohlgefälliger Blick auf dich, meine liebe Nichte.« Er räusperte sich. »Natürlich bist du dir dieser Ehre bewusst.«
    Almira errötete. Na schön, wenn sie ehrlich war, fand sie es schon toll, wenn die Blicke gewisser Bengel auf sie fielen, die ihr am Koorasee beim Angeln begegneten. Doch der Blick des Propheten Magnan war ihr – offen gesagt – schnuppe, denn er war ein Greis! Schon die Vorstellung, seine Hände könnten das straffe Fleisch ihrer Oberschenkel betatschen, erzeugte einen heftigen Ekel in ihr. Natürlich konnte sie es nicht offen sagen, da Onkel Jules, auch wenn er sich seit dem Ableben ihrer Eltern lieb um sie kümmerte, ein treuer Untertan des Propheten war.
    »An diesem Tag«, fuhr ihr Onkel erfreut fort, »hat er beschlossen, dich in seinen Harem zu berufen, wenn du das richtige Alter hast.«
    Almira erstarrte. Hatte sie richtig gehört?
    »Und deswegen«, fuhr er fort, »hat er heute seinen Gesandten zu uns geschickt. Er wird dich in seinen Palast bringen, in dem du den Rest deiner Tage so königlich verbringen wirst, wie es einer Gattin eines Warlords und Propheten geziemt.«
    In Almiras Hirn breitete sich eine merkwürdige Lähmung aus. Eigentlich hatte sie andere Pläne. Eigentlich hatte sie vor, den Rest der Welt zu erforschen, sobald sie auf eigenen Beinen stehen konnte. Sie war nicht wild darauf, Gattin des Propheten Magnan zu werden. Die Vorstellung, in einem Harem zu leben, gefiel ihr schon mal gar nicht.
    Was sollte sie tun? Zuerst war es wohl angebracht, die geistige Lähmung zu überwinden… Almira schaute aus dem Fenster. Am blauen Himmel standen große Buchstaben, die ihr sagten: Du musst sofort verschwinden, sonst wirst du es bereuen.
    »Almira?«
    Zwar hörte sie die Stimme ihres Onkels, doch sie drehte sich nicht um.

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