210 - Unter dem Vulkan
unkenntlich machte, doch es konnten kaum mehr als drei oder vier sein.
Angesichts der seit der Landung vergangenen Tage war es ein Wunder, dass sie noch nicht zusammengeklappt waren.
Aber vielleicht versorgte der Kräutermann vom Kaarosee sie mit einem Trank, der sie lange wach hielt?
Das wäre was für die Tour de France gewesen… Matt schmunzelte. Doch auch wenn die Posten noch wach waren: Ihre Bewegungen hatten etwas Mechanisches. Im Gegensatz zu Chira, die ihre eigene Patrouille lief, bekamen die vermummten Herrschaften nicht mit, dass er den Wagen betrat, in dem die neunundzwanzigste Braut des Propheten auf ihren Gebieter wartete.
»Almira?« Matt verharrte im Türrahmen des Abteils. Rulfan schlief auf seinem Lager. Dass er inzwischen normal atmete, war eine Überraschung. »Eigentlich wollte ich meine Nase eine Weile nicht in Dinge stecken, die mich nichts angehen, aber…«
»Ja?«
Matt ging in die Knie. »Was dich erwartet, hört sich für einen Menschen meiner Zeit nicht gut an…«
»Deiner Zeit?«
»Meiner Generation, wenn du das besser verstehst.« Matt hüstelte. »Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Ich könnte dein Vater sein.« Er räusperte sich. Wieso fiel es ihm immer so schwer, mit diesen jungen Hühnern zu reden? Mit siebzehn hatte er damit doch auch keine Probleme gehabt…
»Doch, ist mir aufgefallen. Sonst siehst du aber ganz süß aus.«
»Danke.« Matt errötete. Zum Glück war es dunkel. »Nach allem, was man hier so hört, muss man sich am Hof deines künftigen Gatten an sehr rigide Regeln halten. Hält man sie nicht ein, wird man in der Regel mit dem Tod bestraft.«
Irgendwie erinnerte ihn dieses Justizsystem an die Cosa Nostra seligen Angedenkens.
»Das hab ich mir schon gedacht.« Almira nickte.
»Deswegen schlage ich vor, dass wir verschwinden«, sagte Matt.
»Ein genialer Plan«, sagte Almira. »Hast du die Einzelheiten schon ausgearbeitet?«
»Noch nicht genau. Aber ich gehe davon aus, dass Cadiz’ verletzte Hand, die große Müdigkeit seiner Leute und Chira uns helfen werden, die Posten abzulenken und auszuschalten und die Roziere zu entführen.«
»Kannst du das Luftschiff denn fliegen, Maddrax?«
»Klar.«
»Wieso?«
»Wieso nicht?« Die Neugier dieser Göre ging Matt langsam auf die Nerven. Merkte Almira denn nicht, dass sie ihn nur von der Arbeit abhielt?
»Nun, ich kann keins fliegen.«
»Es wird damit zu tun haben, dass du kein Pilot bist.«
»Na schön.« Almira schnaubte hochnäsig. »Wenn dein Plan aber schief geht, sehe ich schwarz für uns.«
»Ich auch. Doch zuerst müssen wir klären, wie wir Rulfan in die Gondel kriegen.« Matt deutete auf den Schläfer. »Er sollte möglichst schon an Bord sein, wenn wir die Kurve kratzen.«
Seine Stirn runzelte sich. »Aber in seinem Zustand dauert es bestimmt noch Tage, bis er wieder auf eigenen Beinen stehen kann…«
»Das… ähm… glaube ich nicht.«
Trotz der im Abteil herrschenden Finsternis glaubte Matt die junge Frau erröten zu sehen. Auf jeden Fall war sie verlegen, denn sie erhob sich plötzlich, trat über Rulfan hinweg, stellte sich an das kleine Fenster und schaute hinaus. »Eigentlich… ähm… müsste er… ähm… in ein paar Stunden hellwach sein.«
»Wie das?«, fragte Matt. »Ich meine: Woher weißt du das so genau?«
»Nun jaaa…« Almira hüstelte. »Eigentlich hätte er gestern schon auf den Beinen sein können, aber ich… ähm… habe ihm… etwas in die Suppe getan.«
»Was?« Ein eisiger Schreck durchzuckte Matt. Er kniete sich auf den Boden und suchte Rulfans Puls. Er schien normal zu schlagen. Matt atmete auf. »Was war es, Almira? Und warum hast du das getan?«
Almira drehte sich um. Matt sah, dass ihr Kinn zitterte.
»Tropfen aus Onkel Jules’ Bestand«, erwiderte sie leise. »Ich habe ihn nur ruhig gestellt.«
»Aber warum denn, um alles in der Welt?«, brauste Matt auf. »Er ist doch schwächer als ein frisch aus dem Ei geschlüpfter Spatz.«
»Spatz?« Als Kind dieser Zeit hatte Almira noch nie von diesem Lebewesen gehört. Matt winkte ab; daraufhin wurde ihr offenbar klar, dass ihre Frage nichts mit der Sache zu tun hatte.
»Ich weiß, es war dumm von mir, aber… ich wollte… ähm… nur mal rauskriegen, wie sie wirken, die Tropfen, damit ich sie richtig… ähm… dosieren kann, wenn ich… ähm…« Sie brach ab.
Matt ging plötzlich ein Licht auf. »Du wolltest den Propheten ausschalten?«
»Ja.« Almira nickte. »Ich bin nur mit Noah gegangen, um
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