210 - Unter dem Vulkan
Cadiz.
»Wieso nicht?«
»Er hat seine Rückkehr prophezeit.«
»Na, dann würde ich mir keine Sorgen machen.«
Matt hob den Kopf und begutachtete die faszinierende Hülle der Roziere. Er war das Reiten so leid wie das Laufen, und irgendwie behagte ihm die Vorstellung, aus großer Höhe einen Blick auf die Welt zu werfen. »Falls er jedoch nicht zurückkehrt und du Hilfe bei der Steuerung dieser Flugmaschine brauchst, greif auf mich zurück, Cadiz. Ich bin nämlich Flieger wie du.«
»Sacre bleu!« Cadiz fing an zu strahlen. »Dich schickt der Himmel! Oder Wudan. Oder wer bei euch im Norden gerade das Sagen hat.«
»Keine Ahnung«, sagte Matt. »War lange nicht da.«
***
Nach dem Abendessen machten sich die Boiis auf den Rückweg.
Um so schnell wie möglich aus dieser Gegend zu verschwinden, ließen sie den Wagen zurück, mit dem sie gekommen waren. Nun würden sie den Arachniden vor die Kutsche spannen, in der ihre toten Kameraden lagen.
Nach der Verabschiedung der Boiis ging die Sonne unter.
Die nervösen Vermummten pirschten mit ihren Armbrüsten um die Lichtung. Almira, die sich angesichts der unheimlichen Vasallen des Propheten nicht aus dem Wagen traute, kümmerte sich um den nun heftig phantasierenden Rulfan, der gerade die von Schneestürmen umtosten Winter seiner Kindheit neu erlebte. Noah, der ihn sich angesehen hatte, meinte, dieser Fieberanfall müsse der letzte sein; sobald Rulfan ihn überstanden hätte, ginge es mit ihm wieder bergauf. Als er erwähnte, er hätte seinem Patienten einen aufbauenden Brei aus Heilpilzen gemischt, fragte Matt: »Nichts Flüssiges?«
Noah schaute auf. »Was meinst du?«
»Hast du ihm nichts verordnet, das man in flüssiger Form einnimmt? Als Tropfen in einer Suppe vielleicht?«
»Nein.«
Matt schaute Noah argwöhnisch an. »Almira hat ihm was in die Suppe getan. Waren das keine Tropfen, die du Rulfan verordnet hast?«
»Aber nein. Maddrax, was…?«
Matt drehte sich um und musterte das Gefährt, in dem sein Freund im Schweiße seines Angesichts lag und phantasierte.
»Was hat sie ihm gegeben?« Er schaute Noah an. »Kann man diesem Mädchen überhaupt vertrauen?«
»Glaubst du etwa, sie will ihn vergiften?«, fragte Noah.
»Welchen Grund sollte sie dazu haben? Die beiden kennen sich doch kaum!«
»Ich weiß nicht.« Matt wiegte den Kopf. »Manche Menschen brauchen für so was kein Motiv. Wenn man sie dann schnappt, sagen sie, Wudan hätte es ihnen befohlen.«
»Du bist ja völlig überdreht.« Noah runzelte die Stirn. »Es war bestimmt nur ein Suppengewürz. Almira ist auf einer Handelsstation aufgewachsen. Ihr Onkel ist im Umkreis von fünfhundert Kilometern der bekannteste Kräutermann. Da ist es doch natürlich, dass sie was von ihm gelernt hat.«
»Trotzdem.« Matt sah jemanden aus der Gondel steigen: Capitaine Cadiz. Er kam auf sie zu.
»Es wäre mir lieber, wenn die beiden nicht auf diesem engen Raum zusammengepfercht wären«, sagte Matt.
»Was soll ich tun?«, fragte Noah.
»Bring Rulfan in die Gondel, wo er unter Aufsicht ist.«
»Aber Maddrax, wie soll ich…« Als Cadiz in Hörweite kam, verstummte er und wandte sich zu dem Wagen um. »Ich geh mal rein und schaue nach ihm.« Schon war er verschwunden.
Cadiz winkte Matt leutselig zu. »Ich finde keine Ruhe. Komm, wir drehen eine Runde. Da kannst du mir was über dein Leben als Flieger erzählen.«
Da Matt annahm, dass Cadiz noch nie etwas von der US Air Force gehört hatte, ging er nicht in die Feinheiten. Er verschwieg auch, dass er vor mehr als fünfhundert Jahren in eine Welt hineingeboren worden war, die längst nicht mehr existierte.
Dass er in Alaska und Sibirien Luftschiffe geflogen hatte, beeindruckte Cadiz sehr – nicht zuletzt deswegen, weil er diese mythischen Länder nur aus Erzählungen kannte. Dass Matt die Roziere nicht so ohne weiteres fliegen konnte, war ihm klar, deswegen lud er ihn nach einer Stunde zu einer Besichtigung ein.
Sein Fluggerät war die größere Frachterausführung des Typs, mit der Victorius einst nach Australien geflogen war. Es hatte einen enormen Aktionsradius und konnte im Extremfall sechzehn Personen befördern.
»Natürlich sind wir nie mehr als acht oder zehn Mann an Bord«, sagte Cadiz, als sie aus der finsteren Steuergondel auf die mondbeschienene Lichtung schauten und Tee tranken, die Kwame, sein Assistent, ihnen brachte. »Wir füllen die restliche Kapazität lieber mit Dingen, mit denen man profitable Geschäfte machen kann.«
Er
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