2101 - Der Konquestor
Augen wieder auf ebendieses Problem.
Trah Rogue, dessen Kettensklave sich jetzt mit einem pinzettenartigen Gerät unter seinen Achseln zu schaffen machte, hatte anscheinend beschlossen, dass er einer Stärkung bedurfte. Er umfasste mit seiner Greifhand die mit Lüftungsschlitzen versehene, ellipsoide Box an seiner Brust. Die Box sprang am oberen Ende auf, und Trah Rogue senkte den mächtigen Kopf. Ein rosafarbener, fünf Millimeter dicker Wurm kroch aus der Box ins Freie und arbeitete sich im Brustfell des Konquestors hoch - bis Trah Rogues fleischige Zunge hervorschnellte und ihn mit einem Schnalzen in den breiten Mund beförderte.
Das Schmatzen des Konquestors wurde an Ungeniertheit nur noch von dem befriedigten Rülpser übertroffen, mit dem er seine ungustiöse Mahlzeit beendete.
Keine Fehlurteile!, dachte Perry Rhodan in fast schon verzweifelter Selbstbeschwörung. Nur keine unbedachten Fehlurteile!
Jenseits des Ringwalls um Terrania-Space-Port, vom nordwestlich gelegenen Reparatur- und Wartungsraumhafen, startete ein Raumschiff der NOVA-Klasse. Der 800 Meter durchmessende Kugelraumer schob sich mit zeitlupenhaft anmutender Langsamkeit über die Gipfel des künstlichen Ringgebirges und glitt wie eine bläulich schimmernde Seifenblase stetig schneller werdend in den Morgenhimmel über Terrania.
Man schrieb den 25. Oktober 1311 NGZ, sieben Uhr Ortszeit. Man schrieb Geschichte.
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Terrania, du Weiße Stadt, um den ist es geschehen, der dich gesehen hat.
Hier ist die Wüste fruchtbar, hier sind die Sterne nah.
So oft schienst du verloren und bist doch immer da.
Und strahlst wie jene Sterne und blühst in sattem Grün.
Lasst uns nicht in die Ferne, lasst uns nach Hause ziehn: Terrania, Terrania!
Wer deine hohen Türme, wer deine Gärten sah, der wird dich nie vergessen, du ewiges, du einziges, du mein Terrania.
(Ilja Leinhein: „Wo Lemur lag - Gedichte aus dem Schwerkraftskeller", zweite, überarbeitete Auflage mit sechs Holographien des Autors, Terrania, Eigenverlag)
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Der Ausblick von den kreisenden Schwebeterrassen des „Saturn Hills" war atemberaubend. Zwar gab es höher gelegene Aussichtsplätze in Terrania, allen voran das „Marco Polo" in der Solaren Residenz. Dies besaß aber den entscheidenden Nachteil, dass man von dort aus das schönste und symbolträchtigste Gebäude der 100-Millionen-Metropole eben nicht sehen konnte: die Solare Residenz selbst.
Wie ein dreidimensionales, zu Stahl und Glas und schimmernder Formenergie gewordenes Sinnbild terranischer Unbeugsamkeit schwebte die 1010 Meter hohe Stahlorchidee über dem tiefblauen Wasser des Residenzsees. Atmosphärengleiter unterschiedlichster Bauart umschwirrten sie wie Schwärme maschineller Bienen. Antigravfähren landeten auf dem in schwindelerregender Höhe gelegenen Dach oder wurden von formenergetischen Dockingbuchten verschluckt.
Die oberen Pylonen der Residenz waren bereits in gleißend helles Sonnenlicht getaucht, während der zentrale „Hauptsporn", der sich nach unten zum Residenzpark hin verjüngte, noch ein wenig schemenhaft wirkte - ein gigantischer, scheinbar schwereloser Blütenstiel, der sich aus dem rötlichen Dunst der Morgendämmerung energisch in den wolkenlosen Himmel über der ehemaligen Gobiwüste reckte.
Obwohl es gerade erst sieben Uhr morgens war, hatte der Strom an Besuchern, die sich von einem volltransparenten Antigrav-Jetstrahl zu dem in tausend Metern Höhe schwebenden terranischen Regierungssitz hochtragen ließen, schon eine beträchtliche Stärke erreicht.
„Die haben alle Lunte gerochen", sagte Hahnhelm Sauki, der rothaarige Polit-Reporter von Terra True Trivision, zu seiner Produktionschefin Aisha N'ghema, der ein altertümlicher Servorobot des „Saturn Hills" soeben einen pechschwarzen ertrusischen Mokka, Eigenname „Desdorminator", servierte.
„Mrrrmpf", machte die dunkelhäutige Mittachtzigerin, während sie das wenig magenschonende Getränk, vor dessen Genuss jeder Gast per Fingerprint eine Einwilligung zum Verzicht auf mögliche Schadenersatzforderungen unterzeichnen musste, von einem langen, durchsichtigen Pumphalm in ihren Mund befördern ließ.
„Und die Konkurrenz ist auch vollzählig versammelt", brummte Hahnhelm Sauki und ließ seinen Blick abschätzig über die ovalen Antigravterrassen schweifen, die in einem behäbigen Auf und Ab die verstreuten Gebäude des altehrwürdigen Raumhafenhotels umtanzten.
Der „Saturn Hills"-Komplex mit seinen Bars und Restaurants,
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