2104 - Durch das Sternenfenster
die wiederum welche kannten, die bei der Besetzung Angehörige verloren hatten.
Und nun drohte der Erde, ja der gesamten Milchstraße, dasselbe, wenn nicht sogar ein noch schlimmeres Schicksal. Es bestand wohl kaum ein Zweifel daran, dass Trah Rogue, der Konquestor von Tradom, nicht so zurückhaltend vorgehen würde, sobald es ihm gelang, die 22.000 wartenden Katamare durch das Sternenfenster in unsere Galaxis zu holen.
Es galt, diese Gefahr von vornherein zu bannen, dem Tyrannen das Schwert aus den Händen zu winden, bevor er es an einem Pferdehaar über dem Haupt des Höflings Damokles aufhängen lassen konnte.
Ich war ein Mensch. Genau, wie die Ertruser, Epsaler, Oxtorner Menschen waren. Und wenn ich mir selbst gegenüber ehrlich war, musste ich mir eingestehen, dass mich nicht zuletzt der Wunsch trieb, weiteren Schaden von der Erde abzuwenden.
Das war kein Hurra-Patriotismus. Ich hasste die Arkoniden nicht, obwohl sie die Erde besetzt und großes Leid über die Milchstraße gebracht hatten. Nein, ganz im Gegenteil, ich verachtete diejenigen unter den Terranern, die Hetzparolen schrien und Vergeltung forderten.
Unschuldige waren gestorben, ja, aber sie würden auch nicht wieder lebendig, wenn man die Arkoniden mit Stumpf und Stiel ausrottete oder auch nur den Krieg in ihr Imperium trug.
Für mich war der Flug nach Tradom nicht Lebensgefahr, sondern Notwendigkeit. Vielleicht auch ein Abenteuer. Es fehlte mir keineswegs am notwendigen Ernst, auch hier traf eher das Gegenteil zu. Man warf mir vor, dass ich für meine 18 Jahre viel zu ernst war, viel zu reif. Dass ich ein ungewöhnlicher Junge war.
Doch mich trieb die Sehnsucht nach den Sternen, und diese Sehnsucht war so stark, dass ich, um sie zu stillen, sogar bereit war, mich ein Jahr lang von Julie zu trennen. Ein ganzes Jahr lang würde ich als Praktikant auf Schiffen der LFT eingesetzt werden und wahrscheinlich nicht zur Erde zurückkehren.
Ich hatte mich für dieses Leben entschieden, als ich die beschwerliche Ausbildung an der Emotionautenakademie wählte. Lebensgefahr war genau das, was ich erwartet hatte, und sie würde mich trotz meines Alters weder überraschen noch aus dem Gleichgewicht bringen.
*
Ein Schatten fiel auf mich. Da ich gerade an Dionys I. von Syrakus gedacht hatte, war ich versucht, mit einem anderen Zitat aus dieser historischen Epoche zu reagieren: „Störet meine Kreise nicht."
Doch als ich sah, dass Rock Mozun über mir stand, war ich froh, nicht mit meiner Allgemeinbildung geprotzt zu haben.
So erschöpft, wie ich auch sein mochte, war es für mich doch ganz selbstverständlich, mich aus dem Emotionautensessel zu erheben. Wie hatte jemand mal geschrieben: Monarchen erheben sich, normale Leute stehen auf... Ob das auch für Tyrannen galt?
Es war mir nur darum gegangen, diesen Flug mitmachen zu dürfen, nicht, Mozun den Rang streitig zu machen. Er war der Erste Pilot der LEIF ERIKSSON, und nach allem, was ich in den letzten zwei Stunden erlebt hatte, musste ich mittlerweile froh sein, wenn ich mit heiler Haut in die Milchstraße zurückkehrte.
Rock Mozun bewegte sich schleppend, auf sichtlich wackligen Beinen, und ließ sich schwer in den Sessel fallen.
Es war allerdings damit zu rechnen gewesen, dass er wesentlich früher als die Báalols wieder auf die Beine kommen würde. Allein aufgrund seiner Konstitution war ein Ertruser den Antis in dieser Hinsicht weit überlegen.
Der Emotionaut sah mich an. Was sollte ich jetzt tun? War er noch zornig auf mich, weil ich ihn mit dem Gespräch mit der Kommandantin einfach übergangen hatte? Sollte ich darauf verweisen, dass ich die Feuerprobe trotzdem überstanden hatte?
Ich tat, was wohl tatsächlich nur ein Achtzehnjähriger tun würde: Ich schwieg. Nach einer Ewigkeit seufzte Rock schwer. „Der Übergang durch das Hayok-Sternenfenster hat mich unter der SERT-Haube mit vernichtender Wucht getroffen", sagte er. „Ich kann es nicht beschreiben, es war ein völlig unnatürliches Gefühl. Es ..." Er stockte.
„Es fing mit einem Kribbeln an", sagte ich.
Überrascht zog er die Brauen hoch, doch im nächsten Augenblick war sein Gesicht schon wieder völlig beherrscht. „Aber dabei blieb es nicht. Mein Körper schien von innen nach außen gestülpt zu werden, und ich war auf einmal..."
„Eins mit dem Universum?", fragte ich. „Eins mit dem Multiversum?"
Er zuckte mit den Achseln. „Müßige Spekulationen. Jedenfalls gilt für jedes weitere Manöver: Wir müssen die
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