2110 - Der Gute Geist von Wassermal
offenkundig optimale Kondition überlegen war.
Diesen Vorteil konnte ich nicht mit Intelligenz wettmachen. Ich musste den Kampf zu für mich ungleichen Bedingungen aufnehmen.
Ich lief los. Eine Weile kam ich recht gut voran. Aber dennoch: Jedes Mal, wenn ich um die nächste Biegung des Serpentinenwegs lief, war mir Sershan ein Stück weiter voraus.
Und es gab keine Möglichkeit, den Weg abzukürzen. Immer wieder musterte ich den verfilzten Dschungel zu beiden Seiten. Er war. zu dicht, und sein Unterholz war zu sperrig und außerdem größtenteils voller langer und spitzer Dornen. Mit einem Desintegrator hätte ich mir leicht einen Weg bahnen können, aber ich war unbewaffnet. In seinem eigenen Raumschiff trägt man keine Waffen - und woher hätte ich wissen sollen, dass eine fremde Macht mich kurzerhand aus der SOL entführte.
Ich keuchte, mein Herz hämmerte, und der Schweiß rann mir über Gesicht und Nacken, als der Weg endlich auf die freie, leicht ansteigende Kiesfläche von etwa fünfzig Metern Breite führte, aus der die Mauer wie das Ende der Welt ragte.
Eine rund zwölf Meter hohe, massive Mauer mit leichter Schräge. Sie war weder aus Beton noch aus Stahl, sondern aus dem gleichen graugrünen Fels, von dem in großen Abständen einzelne Brocken am Wegesrand lagen.
Ihre Erbauer hatten sowohl rechteckige als auch polygonale Steine unterschiedlicher Größe im Wechsel miteinander verwendet. Sie waren so sorgfältig bearbeitet worden, dass sie fugenlos aneinander passten. Der Anblick erinnerte mich an die Mauern der Inka-Festung Sacsayhuaman bei Cuzco.
Ich konnte nicht mehr, also blieb ich stehen. Sershan war ebenfalls stehen geblieben. Er atmete schwer, blickte die rund zweihundert Meter zurück, die uns trennten, sah zu mir herüber und zuckte resignierend mit den Achseln.
Kein Wunder, denn die Mauer ließ keine Lücke oder andere Öffnung erkennen.
Aber es musste eine Öffnung geben, sonst hätten wir nicht die geringste Chance gehabt, Tagira zu folgen. Wenn wir der Mauer lange genug folgten, würden wir sie schon finden. Nur, in welche Richtung sollten wir uns wenden?
Sershan traf schließlich die Entscheidung, indem er nach links an der Mauer entlangeilte. Selbstverständlich hätte ich mich in die andere Richtung wenden können - und vielleicht hätte ich dann den vermuteten Durchgang als Erster gefunden. Doch wenn er in Sershans Richtung am nächsten lag, gewann er einen unschätzbaren Vorsprung - und ich verlor viel Zeit. Das durfte ich nicht riskieren.
Meter um Meter hetzten wir an der Mauer entlang, die anscheinend um den ganzen Berg führte. Allmählich ließen unser beider Kräfte nach. Zudem brannten die Füße. Der grobe Kies war keine gute Laufunterlage.
Immer wieder zuckte ich vor Schmerz zusammen, wenn ich auf einen besonders tückischen Stein trat. Meinem Gegenspieler ging es nicht besser. Er schrie manchmal vor Schmerz, und streckenweise humpelte er.
Aber selbstverständlich gaben wir nicht auf.
Das Ziel all unserer Bemühungen stand unablässig vor meinem (und wohl auch seinem) Auge: die göttlichste aller Frauen, die Verkörperung des Ideals der Ideale - und ihre Verheißung, sich mit demjenigen zu vermählen, der sie gewänne.
Bei der Sonne Arkon! Was für eine Vorstellung! Noch heute!
Nach etwa zwei Kilometern blieb Sershan stehen, dann spurtete er plötzlich in Richtung Mauer los.
Ich zweifelte nicht daran, dass er einen Durchgang entdeckt hatte. Noch einmal nahm ich alle meine Kraft zusammen und sprintete ihm hinterher. Wenig später sah ich die Stelle: ein schmaler Durchgang mit einer gemauerten Treppe - und an ihrem Ende ein Stahlschott.
Sershan erreichte es, als ich noch mindestens dreißig Meter hinter ihm war. Er tastete mit einer Hand auf dem Schott herum - und plötzlich glitten beide Hälften auseinander.
Mein Feind zwängte sich durch die Öffnung, und hinter ihm schloß sich das Schott wieder.
Doch allein der Anblick hatte mich beflügelt. Da meine Motivation unverändert stark war, wurde ich noch schneller. Sershan würde mich nicht aufhalten können. Da das Schott sich offenkundig bei bloßer Berührung öffnete, konnte er es nicht verriegeln.
Ich war ungefähr noch zwanzig Meter von der Mauer entfernt, als ich fühlte, dass jemand mich anstarrte - und als ich den Kopf in den Nacken legte, sah ich das bleiche Gesicht des Veteranen über die Mauerkante ragen.
Es war, als wollte er mich verhöhnen. Aber eigentlich sah er gar nicht mich an, sondern er sah
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