2121 - Turm der Visionen
Kosmologische Mediothek „Führe uns zur nächstgelegenen Mediothek!", forderte Atlan den rot karierten Roboter auf.
„Gern zu Diensten." Chap drehte sich mit einem blechernen Klicken um und stelzte voraus. Die Besucher von der SOL folgten ihm.
„Rik wohnt in der Spitze des Turms", erzählte der Roboter unterwegs. „Von dort oben horcht er ins All hinaus, durchmisst den Pulsschlag der Schöpfung, sammelt unerschöpfliches Wissen über die Gegenwart des Universums."
„Die Gegenwart?", hakte Atlan nach.
„Selbstverständlich." Chap klang geradezu beleidigt.
„Und was ist mit der Vergangenheit?"
„Rik beobachtet das Universum schon sehr lange. Das, was du Vergangenheit nennst, findest du reichhaltig in den Mediotheken, die ja schon seit vielen Jahrtausenden bestehen. Aber das Wissen, das Rik sammelt, ist stets aktuell, von einem Intervall zum nächsten, bis er wieder herabsteigt."
„Wie groß ist das Intervall?"
„Das ist bei allen Statistikern unterschiedlich. Bei Rik sind es 99 Tage. Die Zeit dazwischen ist knapp genug für die Schreiber, das erhaltene Wissen zu verwerten und zugänglich zu machen."
„Und was hat es in diesem Zusammenhang mit der Kleinen Konjunktion auf sich?", fragte der Arkonide.
„Daran erinnerst du dich?", fragte der Roboter zurück.
„Wie die Visienten auch verfüge ich über ein fotografisches Gedächtnis. Beantworte meine Frage, oder ist sie immer noch nicht kompatibel?"
„Alle elf Zabarischen Jahre einmal kommt es zu diesem außergewöhnlichen Ereignis", antwortete der mechanische Fremdenführer, ohne darauf einzugehen, „dann steigen nämlich fünf Statistiker gleichzeitig herab.
Rik muss insgesamt fünfzigmal herabsteigen, bis er einmal eine Kleine Konjunktion erreicht. In wenigen Tagen ist es so weit, deswegen habt ihr ja auch besonderes Glück."
„Gibt es auch eine Große Konjunktion?"
„Ja, aber nur alle 1155 Zabarische Jahre. Rik muss dafür beispielsweise 5250-mal heruntergestiegen sein.
Bei der Großen Konjunktion aber steigen alle zugleich herab. Wir sind gleich da, dann kannst du dir alles Wissen erfragen."
Chap bog in eine Seitengasse ab und führte sie durch ein labyrinthisches Gewirr, bis er schließlich vor einem kleinen, auf den ersten Blick enttäuschend wirkenden Gebäude verhielt. Es handelte sich um einen schlichten ovalen Bau aus marmorartigem, grau gemasertem Material; ein gerundetes „Walm"dach überdeckte eine etwa fünfhundert Quadratmeter große Gebäudefläche. Der Haupteingang wurde von zehn Meter hohen, sandsteinfarbenen Säulen flankiert, in die Symbole gemeißelt waren.
„Dies ist die Haupt-Mediothek, es gibt noch sechs weitere in Rik'ombir", erläuterte Chap. „Dies ist das Herz von ganz Wassermal, möchte ich sagen. Hier sammelt sich das Wissen des Universums, hier gibt es keine offenen Fragen mehr."
„Da drin?", meinte Trim konsterniert.
Sehnsüchtig schaute er nach dem Turm, dessen entfernte Spitze über die Dächer hinausragte. Viel lieber wäre er wieder dort gewesen; seine Anziehungskraft war nicht geringer geworden.
„Und was ist das da?", wollte Mondra wissen und deutete auf das Gebäude nebenan.
Es wurde vor allem von einem riesigen Holoschirm mit Werbeeinblendungen beherrscht. Der Besucher wurde am Eingang mit flammenden Sprüchen in Diamal empfangen wie: Die Statistiker wissen nicht alles! und Auch visionäres Wissen muss in eine passende Form gebracht werden!.
Wie die Galaktiker nun erfuhren, gab es natürlich auch Kritiker der Statistiker, die beispielsweise diese gesammelten Informationen für wertlos oder gefährlich hielten. Unter anderem kritisierten sie das Auswahlverfahren, weil das Wissen nicht einfach jedem jederzeit und überall zugänglich gemacht wurde.
Einer von ihnen betrieb sogar eine Medienfirma, gleich neben der Haupt-Mediothek gelegen, mit der er sich regelmäßig zwischen zwei Werbeinschaltungen in Szene setzte. Es war ein ziemlich selbstgefällig aussehender Bufoviride mit großen Augen, breitem Mund und feuchter Aussprache, der Ra-Ni-Ki hieß und sich drei verkrachte Künstlerexistenzen hielt, die ihm widersprechen oder huldigen sollten, je nachdem, was er gerade wegen der Aufmerksamkeitserwartung für spannender hielt. Die drei Lakaien waren aus dem Volk der Norggels, kleinwüchsige, hektische Insektoide, die an terranische Fliegen erinnerten. Sie hießen Kra'assekk, Srr'löff und Korrinth'ka und gerieten sich andauernd in die Fühler, wobei Srr'löff meistens beleidigt war, weil
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