2122 - Die Prinzenkrieger
die Prinzenschleuse in den Palast ein und erreichten, jeder für sich, unbehelligt ihre Quartiere.
Soner war in dieser Nacht dermaßen aufgewühlt, dass er keinen Schlaf finden konnte.
*
Soner und Parkiru schlichen sich immer öfter aus dem Palast, um den Puls des Lebens in der Gläsernen Stadt fühlen zu können - wann immer sich die Gelegenheit ergab. Sie konnten solche Ausflüge nicht nach Lust und Laune unternehmen, sondern mussten sich nach ihren Stundenplänen richten. Weder konnte Soner Unterrichtsstunden einfach unentschuldigt fernbleiben, noch durfte Parkiru seinen Dienst schwänzen. Beides hätte Misstrauen erregt und darüber hinaus Sanktionen nach sich gezogen.
Manchmal ergab es sich, dass Soner über Freizeit verfügte, während Parkiru Wachdienst schieben musste, dann ging der Prinz einfach allein in die Stadt. Bei einer solchen Gelegenheit lernte er eines Tages einen Pfauchonenjungen kennen, der etwa 13 Jahre alt sein mochte, aber mit 1,70 Meter bereits voll ausgewachsen war. Er trug bunte Kleider, deren grelle Schockfarben den Augen fast wehtaten.
Soner dagegen trug, wie immer bei seinen Ausflügen, ein schlichtes Gewand, das in dezenten Brauntönen gehalten war.
„He, Kleiner, hast du dich verlaufen?", rief ihm der fremde junge Mann zu.
Soner zuckte zusammen, als er sich angesprochen sah und wollte zuerst weglaufen. Aber dann besann er sich eines anderen. Er brauchte vor niemandem zu fliehen. Parkiru hatte ihm inzwischen eine Scheinidentität verschafft, die jeglicher Prüfung standhielt und sogar kreditwürdig war. Er hieß Goredo und war der Sohn eines Architekten, und Parkiru war sein Bruder Hidegol. Aber Parkiru hatte Dienst, und nun war Soner auf sich allein gestellt.
„Wie kommst du darauf, dass ich mich verlaufen habe?", sagte Soner herablassend, nachdem er sich gefasst hatte. „Ich mache einen Stadtbummel und suche keine Gesellschaft."
„Na, sei nicht gleich so pampig", sagte der Fremde und gesellte sich an seine Seite. „Ich heiße Rodo.
Und du scheinst nicht zu wissen, wo du dich befindest."
„Und ob ich das weiß", begehrte Soner auf. „Das ist das Gebiet der Vourit-Schnelle, und ich bin unterwegs ..."
„Nichts weißt du, mein Junge", fiel ihm Rodo ins Wort. „Das hier ist das Terrain der Aby-Shidal.
Diese Gang ist, unter anderem, darauf spezialisiert, harmlose Jungs wie dich anzugreifen. Davor kann ich dich bewahren."
Soner war augenblicklich misstrauisch. „Und warum sollte ich dir trauen?"
Rodo machte eine elegante Bewegung, zog aus dem weiten bunten Ärmel ein flaches Tableau und überreichte es Soner mit den Worten: „Weil ich dir deinen Stadtplan zurückgebe."
Es war tatsächlich Soners Stadtplan, und er hatte nicht gemerkt, wie Rodo ihn ihm entwendet hatte.
„Ich kenne ein Plätzchen, wo wir uns ungestört unterhalten können", sagte Rodo.
Er führte Soner zu einem verspiegelten Gebäude, das aus neun 70 bis 150 Meter hohen Zacken bestand.
Darin war ein Imbisslokal untergebracht, dessen Tische auf Antigravfeldern schwebten, die dauernd in Bewegung waren. Da die Spiegelflächen der Außenfläche von innen transparent waren, hatte man so ständig einen wechselnde Ausblick auf die Gläserne Stadt.
Soner stellte sich als Goredo vor, machte jedoch sonst keine Angaben über sich.
„Du hast keine Ahnung, welche Gefahren die Gläserne Stadt birgt, Goredo", eröffnete Rodo das Gespräch, während sie mit ihrem Tisch nach oben schwebten. „Mit jedem Atemzug passieren hier zwanzig und mehr Verbrechen, die ungesühnt bleiben."
„Das glaube ich dir nicht", widersprach Soner selbstsicher. „Der Prinzenkrieger Marca würde nie zulassen, dass seine Gesetze in der Gläsernen Stadt missachtet werden. Hier ist schließlich sein Herrschaftssitz!"
„Ach du naive Neune!", rief Rodo belustigt aus und warf die Arme in die Luft. „Marca ist der Prinzenkrieger der Ukkhar-Kaza, Herrscher über die Speiche eins, klar! Aber in der Gläsernen Stadt herrschen die Koshy-Shyna, eine mächtige Sekte, die man auch unter der Bezeichnung das Ungeheuer mit den zweimal acht Köpfen kennt. Noch nie davon gehört, Goredo?"
„Doch", sagte Soner, dem dieser Begriff nicht unbekannt war. „Aber die Koshy-Shyna sind bloß ein Kinderschreck."
„Wer hat dir denn das eingeredet?", rief Rodo verwundert aus. „Die Koshy-Shyna waren schon immer die mächtigste Organisation auf Kazién. Die Prinzenkrieger vor Kaza haben stets vergeblich versucht, die Koshy-Shyna auszutilgen. Aber
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