2139 - Die Eltanen
wieder, und sie sah eine Umgebung, wie sie weniger einladend nicht sein konnte.
Es war nicht richtig hell. Ein schwaches Dunkelfeld ließ nur wenig von den Strahlen Kitas in die Höhle fallen, in der nur ein Schrank in den Felsen hineingebaut war. Sonst gab es keine Einrichtung. Oder verbarg das Halbdunkel noch etwas? „Mein Kind", flüsterte die Genetikerin. „Rühre dich!
Zeig mir, dass du lebst!" Aber es tat ihr nicht den Gefallen. Corina EhGon wollte es nicht wahrhaben, es durfte nicht sein! Aber sie war Realist genug, um das Schreckliche in Betracht zu ziehen. Ihr Herz protestierte und schrie, doch der Verstand sagte etwas anderes.
Es dauerte furchtbare Stunden, bis ihr Entführer zurückkam. Das Dunkelfeld auf seinem Gesicht war wie eine Maske. Er stand im Eingang und winkte. „Komm!", sagte er. „Sieh hinaus!"
„Warum?", fragte Corina mit bebender Stimme. Ihre Hand lag auf ihrem Bauch. Sie fühlte nichts, und das in zweifacher Hinsicht. Etwas; in ihr war gestorben, und das war nicht nur ihr Kind. Eine furchtbare Leere war in ihr. „Du sollst sehen, wo wir sind und dass jede Flucht sinnlos ist." Sie überwand sich und ging zu ihm hin. War eine Flucht nicht ohnehin sinnlos geworden? Jetzt, da sie kein Kind mehr in sich fühlte? Jetzt, da alles verloren war?
Corina trat in das Dunkelfeld, in welchem der Unbekannte noch stand und auf sie wartete. Sie musste sich leicht vorbeugen und sah, dass der Höhleneingang sich mitten in einer senkrechten Felswand befand. Es gab keine Vorsprünge, keinen Halt. Ein Schritt hinaus, und alles war vorbei. Es gab im ganzen künstlichen Gebirge nur eine solche Stelle, sie bestand aus mehreren Höhlen. Diese aber, das wusste die Genetikerin genau, waren „natürlichen" Ursprungs, also bei der Erschaffung des Gebirges durch die Ahnen durch Lufteinschlüsse entstanden. Sie waren seit vielen Generationen nicht mehr bewohnt - ja in Vergessenheit geraten.
Hierher führten keine Nullschwereadern. Falls es sie doch gab, mussten sie erzeugt werden. Und das gelang nur mit einem technischen Aufwand, den eigentlich kein Eltane mehr betreiben konnte. Ihr Entführer offenbar schon. Für einen Moment spielte Corina mit dem Gedanken, ihn in die Tiefe zu stoßen und sich so für den Tod ihres Kindes zu rächen. Sie ging davon aus, dass das Nullschwere-Feld nicht geschaltet war, dass er dies nur tat, wenn er kam und ging. Schließlich wollte er ja nicht, dass sie ihm entkam - deshalb hatte er sie ja hierher gebracht. Sie konnte nicht an der Steil wand klettern, und der einzige Weg, das Feld, war ihr abgeschnitten. „Komm in die Höhle!", forderte der Unbekannte sie auf. „Du sollst hören, warum ich dich hierher gebracht habe."
„Was gibt es da zu hören?", fragte sie bitter. „Du hast dein Ziel erreicht. Mein Kind lebt nicht mehr!"
„Wie kannst du dir sicher sein?", fragte er zurück. „Ich bin es nicht, und solange ich es nicht bin, bleibst du hier als meine Gefangene."
„Wer bist du? Warum zeigst du mir nicht dein Gesicht? Aus Angst, ich könnte dich erkennen und später verraten?" Ein verzerrtes Lachen rasselte aus dem Dunkelfeld seines Gesichts. „Wer sagt denn, dass es ein Später für dich gibt?"
Er widerspricht sich, dachte Corina nervös. Die Genetikerin und ihr Entführer saßen sich auf dem nackten Boden der Höhle gegenüber. Einmal sagte er, dass er sie nur gefangen halten wolle, bis er Sicherheit über den Tod ihres Kindes habe. Dann wieder stellte er ihr ihren eigenen Tod in Aussicht.
Zeichen der Unsicherheit? Er war etwas größer als sie und vor allem stärker. Also auch jünger? War er allein, oder handelte er im Auftrag einer Gruppe, einer Organisation?
Das waren Fragen, die der Genetikerin durch den Kopf schossen, als sie fieberhaft überlegte, ob und wie sie sich retten konnte. Sie saß hier fest. Nur er konnte die Höhle erreichen und auch wieder verlassen. Sie war also auf seine Gnade angewiesen. Die Chancen, dass jemand sie draußen vermisste und suchte, waren minimal. Halla GeBur vielleicht - aber wie sollte sie ihre Spur finden? Der Kommunikator! Er hatte ihn ihr weggenommen.
Höchstwahrscheinlich trug er ihn bei sich. Besaß er ihn noch oder hatte er ihn in die Tiefe geschleudert, damit er in der Unterstadt aufschlug und in hundert Stücke zerbarst?
Corina hatte gelernt zu kämpfen. Und obwohl sie in diesen Stunden unendliches Leid erfüllte, erwachte der Trotz in ihr. Sie wollte sich nicht einfach in ihr Schicksal ergeben. Vielleicht -
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