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214 - Der Mann aus der Vergangenheit

214 - Der Mann aus der Vergangenheit

Titel: 214 - Der Mann aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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er, »ich durfte nicht hoffen, Euch jemals zu begegnen.«
    »Manchem hier wäre es Recht, hätte er mich niemals gesehen.« Sie seufzte, wedelte sich ein wenig Luft zu und senkte schließlich den Fächer. Ihr Antlitz wirkte zierlich und war von reichlich weißer Asche bedeckt, die die Akne auf den Wangen nur notdürftig abdeckte. »Lasst mich nun alleine!«, verlangte sie von ihren Hofdamen.
    Zögerlich entfernten sich die Mädchen. Manch eines gab sich zornig, andere schienen froh zu sein, der Gegenwart der Österreicherin zumindest für ein paar Augenblicke zu entkommen.
    »Auch du, Elisabeth!«, verlangte die Königin.
    Madame Elisabeth. Die Schwester von Louis XVI.
    Die Schwägerin deutete eine Verabschiedung an und marschierte davon, folgte den anderen Damen.
    »Enfin!«, seufzte Marie-Antoinette. »Endlich Ruhe! Endlich Besinnlichkeit.« Sie winkte ihn heran. »Komme Er näher. Ich möchte ein wenig mit Ihm spazieren gehen.«
    »Sehr wohl, Majestät.«
    Er trat auf sie zu. Sie hakte sich wie selbstverständlich bei ihm unter. Ihr breiter und steifer Reifrock drückte gegen seine Beine.
    »Sei Er doch nicht so förmlich!«, sagte sie und lachte.
    »Ihr Franzosen wachst wohl mit einem Stock auf, den man euch durch den Körper getrieben hat.«
    Jean-François gab sich alle Mühe, ruhig zu bleiben.
    Sollte er lachen, sollte er Empörung vortäuschen? Marie-Antoinette gab sich wie eine Dirne aus dem gemeinen Volk.
    »Ich bin Königin, und im Gegensatz zu diesem Hühnervolk, das sich rund um die Uhr an meinen Rocksaum heftet, meine ich, dass ich auch noch ein Mensch bin. Einer, der dann und wann auch das Bedürfnis nach Unterhaltung hat und jedweden Statusdünkel verabscheut.« Der Druck ihrer Hand verstärkte sich. Die Geste wirkte… intim.
    »Madame, Ihr… Ihr wisst, warum ich hier bin?«
    »Aber ja, mein Freund! Ich habe schon längere Zeit ein Auge auf Seine Arbeiten geworfen. Ich bin gut unterrichtet, und ich bin gerne bereit, Seine Ansinnen im Rahmen meiner Möglichkeiten zu unterstützen. Er wird verstehen, dass es mir nicht möglich ist, jedwede Forderung zu erfüllen. Doch es gelang mir, meinen königlichen Gatten für das Projekt der Luftfahrt zu begeistern. Er war nur allzu gerne bereit, mich dieses Treffen ohne sein Beisein hinter sich bringen zu lassen. Er vergnügt sich indes irgendwo, und vielleicht mit irgendwem.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber die notwendigen Unterlagen liegen bereit zur Unterschrift und werden noch heute von meinem Gatten beglaubigt werden. Mache Er sich darum also keine Sorgen.«
    Das war also die Macht einer Königin. Ein paar Worte.
    Ein Federstrich, eine hingekritzelte Unterschrift. Das war’s.
    Er würde seine Förderungen bekommen. Er würde nicht mehr länger Informationen über die Möglichkeiten der Aeronautik mühsam zusammentragen müssen, sondern würde von Bibliothekaren und Archivaren beliefert werden. Der Freibrief des Königs würde die Arbeit der Montgolfier-Brüder unendlich erleichtern und seinen Status bei diesen Visionären und Pionieren damit enorm steigern. Er konnte darauf hoffen, sich damit das Vertrauen der Montgolfiers erkauft zu haben.
    »Nun schau Er doch nicht so entgeistert!« Marie-Antoinette kicherte. »Ich habe doch gesagt, dass ich Ihn seit geraumer Zeit im Auge behalte.«
    »Aber… warum? Ich verstehe nicht.«
    »Aber gehen’s doch, Maître! Ich kenne Seinen Lebenslauf und weiß, wie Er gegen die Umstände an einem Ort ankämpfen muss, der nicht Seine Heimat ist. Die Eifersüchteleien, die Heimtücke, die Intrigen. Ich bin mir sicher, Er musste mitunter mit harten Bandagen kämpfen, um sich durchzusetzen?«
    »J…ja.«
    »Na, also. Und mir, Maître, ging und geht es nicht besser. Meine Ellbogen sind schon ganz wund vom vielen Rempeln. Wir sind, wenn auch im Stand weit, weit auseinander, doch vom selben Schicksal gestraft.« Sie blieb abrupt stehen. Aus einem Korb, der hier am Rand des kleinen Teichs stand, nahm sie Brotkrumen und warf sie den prächtigen weißen Schwänen zu. »So!«, sagte sie.
    »Nachdem ich mir nun Seine Aufmerksamkeit erkauft habe, erwarte ich ein gewisses Maß an… Zuwendung.«
    »Majestät?«
    »Hab ich vielleicht das falsche Wort verwendet? Verzeihe Er mein schlechtes Französisch. Was ich meinte, ist Seine Freundschaft. Seine Ehrlichkeit. Seine Bereitschaft, mir ab und an zuzuhören!«
    Das letzte Wort kam laut, fast geschrien. Voll Verzweiflung und Einsamkeit. Darin schien sich alles auszudrücken, was

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