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214 - Der Mann aus der Vergangenheit

214 - Der Mann aus der Vergangenheit

Titel: 214 - Der Mann aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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Fehler?«
    »Die Finanzen«, sagte Marie-Antoinette knapp. »Die Zahlen werden vertuscht. Aber ich weiß, dass beinahe die Hälfte des Finanzhaushalts über Jahre hinweg zur Deckung der französischen Kriegskosten herhalten musste. Die Gelder, die ich dir, mein Lieber, zur Verfügung stelle, sind ein Nichts im Vergleich zu den Summen, die nach Amerika geflossen sind.«
    »Ich wusste nicht, dass du dich so sehr für Politik und Finanzen interessierst.«
    »Ich sorge mich um mein Volk.«
    »Um dein Volk?«
    »Trotz allem hab ich euch störrischen, misstrauischen, hassenden, unverschämten Franken lieb gewonnen. Ich befürchte bloß, man wird mir auch dies eines Tages zu meinen Ungunsten auslegen.« Die Königin klatschte in die Hände. Ihr Gesicht hellte sich auf. »Und nun zu dir, mein Hübscher. Erzähle mir von den Fortschritten in den aeronautischen Bemühungen meines Lieblingsforschers.«
    »Ich muss dich leider nochmals bitten, deine Anstrengungen zu verdoppeln. Die Montgolfiers planen, zu Beginn des Sommers einen Korbballon in den Äther zu schicken. Er soll aus Vorsichtsgründen nur mit Tieren besetzt sein. Doch wenn der Versuch erfolgreich ist – und daran hege ich keinen Zweifel – soll sich noch dieses Jahr der erste Mensch in die Lüfte erheben. Wir benötigen unbedingt die wohlwollende Unterstützung Seiner Majestät. Nicht nur, um den Klerus ruhig zu stellen, der eine Sünde darin sieht, Gott entgegen zu reisen. Sondern auch, um manchem lächerlichen Möchtegern-Forscher das Reden zu verbieten. Da und dort wird behauptet, die Luft werde umso dicker, je höher man aufsteige. Andere wiederum sagen das Gegenteil, die Dritten meinen, dass der Fahrtwind bei einer Ballonreise den Menschen töten wird.«
    »Heuer also noch.« Mit keinem Wort ging Marie-Antoinette auf die finanziellen Probleme ein, mit denen Jean-François zu kämpfen hatte. Sie küsste ihn auf die Stirn und lächelte ihn zärtlich an. »Das Wohlwollen des königlichen Paares ist dir und diesen verrückten Brüdern gewiss.«
    6. Der 19. September im Jahr des Herrn 1783
    Der riesige Ballon, der sich allmählich aufblähte. Der Rauch, erzeugt von grünem, jungen Holz, der sich unter die Zuseherschaft mischte und Hustenreiz herbeiführte.
    Die Montgolfiers ließen sich nicht von dem Glauben abbringen, dass es der Rauch war, der den Auftrieb des Ballons erzeugte.
    Der Ballon bestand aus einem Sack aus Leinen, aus dem besten zur Verfügung stehenden Material. Darauf affichiert waren zur Abdichtung Schichten dünnen Papiers. Schnüre, nach vielen Versuchen endlich in richtige Muster geknüpft, hielten die Form des Ballons.
    Zur Freude des anwesenden Königs hatte man die Hülle kunstvoll bemalt, mit mythologischen und glücksbringenden Bildern verziert.
    Der schwedische König gab sich ebenfalls die Ehre.
    Aus seinem Gefolge ragte Hans Axel von Fersen heraus.
    Der schöne Mann, der als Gesandter Schwedens am französischen Hof bleiben würde. Die Wangen Marie-Antoinettes glühten, und Jean-François ahnte, dass ihre innere Aufgewühltheit nicht unbedingt dem Flugexperiment galt.
    Die Tiere wurden verladen. Ein Hahn, eine Ente, ein Hammel. Sie würden fliegen. Sie würden jenen Platz einnehmen, den er für sich selbst reserviert sah, sobald der König die Erlaubnis gab, Menschen in den Äther zu schicken.
    Doch zuerst musste der heutige Flug gelingen.
    Der Ballon war nun vollends aufgebläht. Taue wurden gekappt. Die Menge, mehrere tausend Menschen, erging sich in Ahs und Ohs, als sich das Gefährt langsam, Zentimeter für Zentimeter in die Luft hob, plötzlich an Fahrt aufnahm und, von einer Windbö gepackt, ordentlich an Höhe gewann.
    »Sie fliegen!«, schrie jemand in der Menge. Applaus brandete auf. Eine Frau fiel publikumswirksam in Ohnmacht, ein Pfaffe schleuderte mit hoch erhobenem Kruzifix zornentrüstet Verwünschungen in Richtung der Montgolfier-Brüder. Weitere Hochrufe erschallten, erfassten die Menge, diesen gesamten, gewaltigen Stimmkörper, lösten eine unglaubliche Kakophonie an Rufen, Schreien, Kreischen aus.
    Der Ballon stieg so hoch, dass man ihn nur noch als dunklen Klecks in der Himmelslandschaft wahrnehmen konnte. Eine Schnurmessung ergab bald über fünfhundertfünfzig Meter Höhe. Die letztendlich zurückgelegte Entfernung wurde mit vier Kilometern angegeben.
    Und, das Wichtigste: Die tierische Besatzung kehrte weitgehend heil zur Erde zurück. Nur der Hahn hatte sich selbst in Panik an einem seiner Beine verletzt. Die Lungen

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