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214 - Der Mann aus der Vergangenheit

214 - Der Mann aus der Vergangenheit

Titel: 214 - Der Mann aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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Metern, um von zornigen Winden zurück ans Ufer getrieben zu werden. Auf Wimereux zu. Auf den Lotsen Christian de Neufville, der entsetzt nach oben starrte, zu keiner Regung fähig, dessen Beine sich nicht bewegen wollten und der das nahende Unglück hinnahm, als sei es seine Bestimmung.
    Auch er sah die überirdische, flimmernde, steil in den Himmel ragende Lichtsäule, die den Ballon gestreift hatte und nun rasend schnell auf ihn zukam – und mit einem Schlag erlosch, kaum dass sie das feste Land erreichte.
    Ihr folgte die lodernde, abwärts taumelnde Rozière.
    Der Korb erschlug Christian de Neufville, zertrümmerte seine Knochen. Die Flammen verbrannten seinen Leib, seine Bekleidung, verbrühten und kochten seine inneren Organe.
    Als Fischer, die das Unglück von den Küstengewässern aus miterlebt hatten, Jean-Pierres Leichnam aus den Fluten geborgen hatten, legten sie ihn zu dem anderen Toten nahe der völlig ausgebrannten Rozière.
    Die Welt hatte die ersten Toten der bemannten Luftfahrt zu beklagen.
    10. Die ersten Stunden im neuen Leben
    Mit den Füßen voran durchstieß Pilâtre de Rozier die Wasseroberfläche. Der Schmerz war grausam; doch er war ein Kämpfer, immer gewesen, also wehrte er sich mit allem, das in ihm steckte, gegen die Besinnungslosigkeit.
    Das Wasser umfing ihn. Er schoss hinab, vom eigenen Gewicht immer tiefer gedrückt. Tiefer, immer tiefer, bis der Druck in den Ohren schier unerträglich wurde und er in einem seltsamen Schwebezustand hängen blieb, rings um sich die Dunkelheit des Meeres.
    Merde! Jean-François war völlig überrascht. Er lebte noch, hatte den Aufprall wie durch ein Wunder überstanden. Aber seine Lungen waren leer. Er hatte darauf verzichtet, den Atem anzuhalten. Er befand sich in einer Tiefe von gut und gerne fünfzehn Metern.
    Sprudelnde Luftblasen waren um Pilâtre de Rozier. Sie alleine gaben ihm Orientierung und zeigten ihm, wo sich oben befand. Dorthin musste er, dort würde er dringend benötigten Atem schöpfen können.
    Alles an ihm schmerzte, seine Beine gehorchten kaum noch. Die brokatverzierte Ehrenkleidung zog schwer an ihm, ebenso die neu erworbenen Stiefel, das Fernrohr, mit einem Lederband um seinen Hals geschlungen, die alte Flinte in seiner Rechten.
    Hoch!, befahl er sich, so rasch wie möglich! Mit kräftigen Ruderbewegungen schob er sich aus der Dunkelheit, den Luftblasen folgend nach oben. Mit der freien Hand griff er in ein widerliches Etwas. Er wollte schreien vor Schreck und es abbeuteln. In letzter Sekunde siegte sein Verstand und er verzichtete darauf, den Mund zu öffnen. Er ruderte und strampelte weiter, trotz aller Qual. Er war nicht bereit zu sterben, noch lange nicht!
    Dieser unbändige Ehrgeiz, der ihn sein Leben lang vorangetrieben hatte, war noch lange nicht gestillt. Sein Werk war unvollendet. Er musste diesen Tag überleben und die Konstruktion seines Ballons überdenken. Fehler ausmerzen, neue Materialien, neue Gase, neue Strömungsmodelle in Betracht ziehen. Sich neue Ziele stecken.
    Es wurde heller. Das Sonnenlicht schien verlockend nah. Die Lungen drohten zu platzen.
    Es wäre so leicht gewesen, jedwede Bewegung einzustellen und einzuatmen. Die kühle Flüssigkeit zu trinken und zum Bestandteil des unendlichen Ozeans zu werden…
    Ein weiterer, mit letzter Kraft getätigter Schwimmstoß.
    Das Licht wurde von Röte überlagert, vom Schein der Unendlichkeit, in dem die göttlichen Heerscharen warteten.
    Es war vorbei, er gab nach. Pilâtre de Rozier öffnete den Mund…
    … und durchstieß die Wasseroberfläche, um frische, herrliche Luft zu atmen.
    ***
    Er ließ sich von der sanften Strömung treiben und genoss den Augenblick. Das Ding in seiner Hand entpuppte sich als seine Perücke. Unweit von ihm trieb der abgebrochene Stock, den er so lange umklammert gehalten hatte, und auch die Flinte schien den Sturz unbeschadet überstanden zu haben.
    De Rozier fühlte keine Angst. Dies war der Tag seiner Wiedergeburt. Kein gütiger Schöpfer würde ihn nach der unvermuteten Rettung ein weiteres Mal in Lebensgefahr bringen. Östlich von ihm wartete rettendes Land. Er war immer ein guter Schwimmer gewesen und würde die vielleicht hundert Meter ohne Probleme hinter sich bringen. Zwar schmerzten die Beine und er würde mit ihnen kaum vernünftige Bewegungen ausführen können, aber die Strömung war schwach, eigentlich kaum spürbar.
    Mit geschlossenen Augen genoss er die wärmenden Strahlen einer nur noch knapp über dem Horizont

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