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214 - Der Mann aus der Vergangenheit

214 - Der Mann aus der Vergangenheit

Titel: 214 - Der Mann aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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stehenden Sonne. Das Wetter hatte zur Gänze umgeschlagen und präsentierte sich nunmehr von seiner besten Seite. Diese Kapriolen waren an der Küste von la manche durchaus bekannt.
    Er öffnete die Augen und starrte in den Himmel.
    »Seltsam«, sagte er leise, »keine Möwen.«
    Das fehlende Kreischen der Seevögel schreckte ihn hoch aus seiner Trance, die ihn nach dem freudigen Schock seiner schicksalhaften Rettung eingefangen hatte.
    Er drehte sich im Kreis, plötzlich verwirrt von all den Dingen, die nicht zu seinen Erinnerungen passten.
    Das Wasser hier – es schmeckte süß! Die Wellen waren sanft, der Uferrand von bizarr verformten Felsen verziert, wie er sie niemals zuvor gesehen hatte.
    Etwas brüllte laut auf. Irritiert blickte de Rozier in die Richtung des Ufers. Er versuchte im Gestrüpp jenes Geschöpf auszumachen, das den Schrei ausgestoßen hatte.
    Lauerte dort ein wilder Hund, oder hatte sich ein tierischer Räuber aus dem stark bewaldeten Südwesten des Frankenlandes hierher verirrt?
    De Rozier schob Flinte und Stock zwischen die Jackenschlaufen und begann mit weit ausholenden Zügen parallel zum Ufer Richtung Osten zu schwimmen. Er blieb leise und wachsam, schwankte zwischen abgrundtiefer Furcht und Vernunft.
    Sein aufgeklärter Verstand sagte ihm, dass alles, was er vor sich sah, erklärbar war. Sein Herz und die Erzählungen jedoch, die ihm chère maman im frühen Alter angedeihen hatte lassen, wollten ihm weismachen, dass er tot und in einer ganz besonderen Hölle gelandet war.
    ***
    Es fiel ihm nicht schwer, im Gefolge des schwachen Wellenschlags zwischen den scharfgratigen Felsen hindurch ans Ufer zu gelangen. Der urtümliche Schrei hatte sich mehrmals wiederholt. Er kam von einem von dichtem Gras überwachsenen Fleck, mindestens hundert Meter von seinem Standort entfernt. Langsam zog sich de Rozier aus dem knietiefen Wasser. Die Uferpromenade war ungewohnt steinig, seltsame Pflanzen säumten den Rand.
    So sehr er seinen Kopf auch zermarterte – es gab in unmittelbarer Nähe des Rozière-Startplatzes keinen Süßwassersee, und schon gar nicht einen diesen gewaltigen Ausmaßes. Es gelang ihm beim besten Willen nicht, die gegenüberliegenden Ufer auszumachen.
    Die Sonne tauchte soeben ins Wasser, begleitet von wenigen dünnen Wolkenstreifen. Das Gestirn zeigte eine ungewöhnliche Röte, die er niemals zuvor gesehen hatte.
    De Rozier robbte weg vom Wasser und legte sich in einer flachen Mulde ins Gras. In seinen Beinen kribbelte es. Das Gefühl kehrte zurück, doch es würde sicherlich noch einige Zeit dauern, bis er seine Glieder für Marsch und Lauf nutzen konnte. Er war den Launen des Schicksals hoffnungslos ausgeliefert.
    Der Boden war feucht; Kolonien großer, grünlich schillernder Ameisen zogen mit abgeschnittenen Blättern auf den Rücken ihres Weges. Die Nacht warf ihre Schatten voraus. Ungewöhnliche Geräusche ungewöhnlicher Tiere ertönten, Nachtfalter mit grauen, behaarten Körpern zogen flatternd ihre Kreise. Nichts war hier so, wie es sein sollte.
    Erneut dieses Brüllen! Eine riesige, schemenhaft erkennbare Gestalt hob den Kopf und reckte ihn zwischen breiten Grasbüscheln hoch. In einem gewaltig großen Maul zeigten sich stumpfe, nichtsdestotrotz gefährlich wirkende Zähne. Das gespenstische, nie zuvor gesehene Wesen stampfte auf breiten Beinen durch Schlamm und Erdreich, marschierte parallel zur Uferlinie auf ihn zu.
    Bösartige kleine Augen leuchteten im Widerschein der letzten Sonnenstrahlen.
    De Rozier griff nach der Flinte. Seine Herz pochte wie verrückt, die Hände zitterten. Konnte er die Waffe gegen diese Ausgeburt der Hölle verwenden?
    Keinesfalls. Die Zündkammer war nass, auch Pulversäckchen und Lunte. Mit dem Glimmstein konnte er ebenso wenig anfangen. Es blieb ihm nur, liegen zu bleiben und zu beten.
    Das Monstrulum satanischer Phantasmagorien kam näher. Seine gleichmäßigen Schritte ließen die Erde beben. Es grunzte, es schnaufte, es rülpste. So, wie es ein jedes Geschöpf tun würde, dessen Heimat im Reich der finsteren, unterirdischen Schatten angesiedelt war.
    Womp! Womp! Womp!
    Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Jean-François Pilâtre de Rozier in den Tiefen der Hölle angekommen war, dann war es dieses Untier.
    Er schob die Hände über den Kopf, murmelte die Litaneien seiner Jugend, rief alle Schutzheiligen an, derer er sich erinnerte. Vergessen waren die Gedanken eines Voltaire, eines Marquis de Condorcet oder eines de la Mettrie, die

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