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2156 - Stimme des Propheten

Titel: 2156 - Stimme des Propheten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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wie nahezu jeder Herreach mit seinem Dasein einverstanden war. Trotz der großen Veränderung waren sie ausgeglichen wie eh und je, gaben sich nie launisch oder emotional überschwänglich.
    Die Geschwister kauerten sich auf die Matten vor dem Trivid und warteten auf das Erscheinen Presto Gas, als diese auch schon, pünktlich wie stets, in die Mitte des großen Kreises trat. Die Oberste Künderin war schon legendär, ihr Charisma ungebrochen. Sie überragte die um sie kauernden Clerea und Mahner, da sie als Einzige stehen blieb. Das leuchtende Gelb ihrer Kutte mit dem blauen Oval auf der Rückseite war Ausdruck eines tröstlichen Symbols, ähnlich der gelben Sonne, als Lebensspender, als absolutes Zentrum. „Das Licht", begann sie, „schauet das Licht, den allumfassenden Kreis aus Licht, Zentrum allen Seins.
    Schaut auf mich, denn ich bin das Licht und ihr seid nichts ohne mich!"
    „Aber... das ist doch falsch ...", murmelte Oriel Lei. „Was redet sie da?"
    Verunsichert schaute er zu seiner Schwester, doch diese hing geradezu mit den Augen an der Obersten Künderin und wiederholte mit flüsternder Stimme, was diese predigte. Das beruhigte Oriel Lei keineswegs. „Schwester, was ist mit dir? Dies ist keine Gebetstrance, du weißt genau, dass sie auf die Entfernung über das Trivid nicht funktioniert. Komm zu dir, Siorel Hani!" Dennoch geschah etwas, das auch die Zuschauer vor dem Trivid in den Bann schlug. Presto Gos Gestalt war plötzlich von einer grell strahlenden Aura umgeben, die sich langsam ausbreitete. Sie hob die Arme und wiederholte ihre Worte mit euphorischer Stimme.
    Oriel Lei spürte ein Vibrieren in sich. Er merkte plötzlich, dass er seine Augen nicht mehr von der immer stärker strahlenden Obersten Künderin wenden konnte, ertappte sich sogar dabei, dass er ebenfalls ihre flammende Rede wiederholte. Aber er hatte Angst, wollte es nicht, wehrte sich dagegen. Er merkte, dass etwas Fremdes von ihm Besitz ergriff, seine Kräfte aus ihm saugte. Er wurde zur Gebetstrance gezwungen, obwohl er sich dagegen wehrte. Oriel Lei nahm schon seit einiger Zeit nicht mehr an Gebetsrunden teil, weil sich jedes Mal etwas Unheimliches ereignete, was ihm Furcht einflößte. Es war vorgekommen, dass er erst nach Stunden wieder erwachte, völlig erschöpft und entkräftet, wobei er allerdings geglaubt hatte, längst wach zu sein. Und es geschah, dass andere Teilnehmer der Runde plötzlich wie in einer Art epileptischem Anfall zusammenbrachen oder in blinder Raserei über den Nachbarn herfielen.
    Aggressionen waren den Herreach weitgehend fremd. Sie waren genügsame, bescheidene Wesen, die taten, was notwendig war, aber nicht nach höheren Zielen strebten. Sie lebten friedlich miteinander und kamen völlig ohne Exekutive aus; Instanzen wie Polizei oder Gerichtsbarkeit waren ihnen völlig unbekannt. Es gab keine Hierarchien, keine ausufernden Gesetzesbücher. Jeder lebte, wie es ihm gefiel. Niemand war gezwungen, Presto Go als Oberste Künderin anzuerkennen, doch sie war seit Jahrzehnten als Leitbild akzeptiert. Sich von ihr abzuwenden oder einen Nachfolger zu fordern wäre viel zu viel Aufwand gewesen. Es ging ihnen allen gleichermaßen gut; so etwas wie Neid kannte keiner.
    Deshalb verstand Oriel Lei die sich häufenden unheimlichen Vorgänge der letzten Zeit nicht. Niemand konnte diese unvorhersehbaren Veränderungen richtig einschätzen, weder die Herrachischen Freiatmer, die auf dem Land aktiv waren, noch der Cleros in den sieben Städten. Einzig die Neuen Realisten schienen die Berichte vom ersten Moment an ernst zu nehmen und versuchten, das Rätsel wissenschaftlich zu lösen, ohne es als „momentane Strömung der Religion" abzutun. Handelte es sich um eine Mutation? Es war gut möglich, dass die Kinder, die in die neue Tag- und Nacht-Welt geboren wurden, verändert waren, was vielleicht erst Jahrzehnte später auffallen würde. Immerhin hatten die Herreach damals geglaubt, zum Aussterben verurteilt zu sein, nachdem es einige Zeit keinen Zyklus mehr gegeben hatte. „Warum hast du Angst?", fragte das Licht. Presto Go schien selbst über das Trivid zu spüren, dass ein Zweifler unter ihren Anhängern war. „Fürchte dich nicht, Kind, es ist alles in Ordnung." Der ganze Holoschirm war nunmehr mit dem Licht ausgefüllt. Oriel Lei konnte weder den Platz noch einen einzelnen Herreach mehr erkennen. Das von der Obersten Künderin ausströmende Licht überflutete den gesamten Tempelplatz, womöglich reichte es schon

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