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2156 - Stimme des Propheten

Titel: 2156 - Stimme des Propheten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Gedanken, der sich an etwas klammerte, was nur noch Erinnerung war. Bald würde auch von ihm nichts mehr übrig sein, und alles wäre Licht ...
    Alfar Lokk kam nie mehr zu sich. Sein Herz blieb irgendwann einfach stehen. Die Teilnehmer der Gebetsrunde fanden seinen zusammengesunkenen Körper, als sie aus der Trance erwachten. An seinen verzerrten Gesichtszügen war zu erkennen, dass er innerlich einen harten, aber vergeblichen Kampf geführt hatte. Es gab keine Erklärung für seinen Tod, denn organisch war er völlig gesund gewesen. Dennoch war er während der Gebetsrunde gestorben. Aus Angst, wie die anderen Teilnehmer vermuteten, denn sie alle fühlten dieselbe Angst. Von jetzt an, das war ihnen allen bewusst, würde keiner von ihnen mehr ohne Angst sein.
    Rahini Caj Rahini Caj wuchs als Kind in der Stadt Galanter auf. Das Mädchen besuchte wie alle Kinder den Unterricht und lebte bei den Eltern, die gut für Rahini sorgten. Bei der verspielten Zwölf jährigen bildeten sich Eignungen und Ziele noch nicht aus. Manche Altersgenossen zeigten bereits ein besonderes Interesse an einem Handwerk oder für die Verwaltung, die in den Händen der Mitglieder des Cleros lag. Das konnte sich jederzeit ändern, denn Herreach wurden im Allgemeinen mit fünfundzwanzig Jahren erwachsen, und es gab keinerlei Einschränkungen für den späteren Lebensweg.
    Danach waren sie ebenso wenig gezwungen, sich für einen Beruf zu entscheiden. Allerdings waren sie von da an zumeist auf sich allein gestellt und mussten selbst für ihr Auskommen sorgen. Spätestens nach Ablauf dieser Zeit gingen die Eltern wieder eigene Wege, sofern sie kein gemeinsames zweites Kind hatten.
    Rahini Caj lebte harmonisch mit beiden Elternteilen zusammen, die gemeinsam ein kleines Geschäft für Nahrungsmittel und spezielle Getränke in Galanters wichtigster Einkaufsstraße betrieben. Der Galax war zwar inzwischen anerkanntes Zahlungsmittel, aber üblicher und beliebter war nach wie vor der Tauschhandel. Die Herreach strebten nicht nach viel Reichtümern. Solange es zum Leben reichte, waren sie zufrieden. Materieller Besitz bedeutete ihnen nichts, weil sie nicht wussten, was sie damit anfangen sollten. Sie entwickelten keinerlei Sinn für Schmuck oder Kunst. Die einzige optische Veränderung der Häuser bestand darin, dass in jedem Fenster- und Türrahmen kunstvoll geschliffene Kristalle hingen, die ein „Nebenprodukt" des Bergbaus waren. Die Herreach hatten festgestellt, dass das Schimmern und Leuchten der Kristalle je nach Lichteinfall eine beruhigende, fast mystische Wirkung auf sie ausübte.
    Nachdem die Herreach die Angst kennen gelernt hatten, umgaben sie sich mit diesen Kristallen und fühlten sich dadurch ausgeglichener. Die meisten wussten, dass dies ein Aberglaube war. Aber ob es nun „das Böse" draußen hielt oder nicht - die Kristalle aufzuhängen schadete nicht, und es gefiel den Herreach. Die „Sonnenfänger", wie sie rasch genannt worden waren, hatten sich zu einem festen Bestandteil der Tradition entwickelt und galten seitdem als Sinnbild für Ausgeglichenheit. Rahini Caj glaubte fest an die Wirkung der Kristalle, wie viele Kinder ihres Alters.
    Sie war in die neue Welt geboren worden und kannte das Zwielicht nur aus den Erzählungen der Eltern. Es war für sie unvorstellbar, dass es einst keinen Tag- und Nacht-Wechsel gegeben hatte, keine Stürme, keine Erdbeben. Kein grelles Sonnenlicht, das tagsüber im Freien das Tragen von Sonnenbrillen unerlässlich machte, und die vollständige Verhüllung des Körpers in Kutten mit übergeschlagenen Kapuzen, um die zarte, durchscheinende, fast transparente Haut vor Verbrennungen zu schützen, obwohl die Temperaturen selten über zehn Grad kletterten.
    In diesem jugendlichen Alter fand Rahini Caj die Welt abenteuerlich. Sie konnte sich alles Mögliche vorstellen, was passierte oder sich veränderte, und spielte das mit ihren Kameraden. Manchmal schlichen sich die Kinder nach dem Unterricht davon, stiegen in den Zug ein und fuhren aufs Land hinaus, um über die Felder zu streifen, nach den wilden Antilopen zu spähen oder die einfältigen Loort an der Nase herumzuführen. Die Eltern duldeten diesen Übermut, wussten schließlich gut, dass es nur eine Entwicklungsphase war, die auch sie einst durchlebt hatten: Allzu sehr über die Stränge schlugen herrachische Kinder ohnehin nicht. Der Gleichmut war ihnen angeboren, und Überaktivität kannten sie nicht. Umso beunruhigender war es, als Rahini Caj sich

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