216 - Jenseits von Raum und Zeit
nun doch allmählich Nerven zeigen. Spät genug.
De Rozier stützte sich auf der Tischplatte auf und fixierte Matt. »Und du, mon ami – geht es dir gut?« Prüfend betrachtete er den blonden Mann aus dem 21. Jahrhundert.
»Bitte?« Matt runzelte verwundert die Stirn. »Ob es mir gut geht? Ja, doch… den Umständen entsprechend. Was soll die Frage?«
»Nun, ich bitte vielmals um Pardon, aber….«, kopfschüttelnd fuhr der Kaiser fort, den Blonden zu mustern, »… aber ich habe selten eine derart bizarre Geschichte gehört. Und die bizarren Geschichten, an die ich mich erinnere, erzählten mir Männer und Frauen, die zu Madame Akselas schwierigsten Patienten gehörten, wenn du verstehst, was ich meine, Maddrax.«
Zwei Atemzüge lang dauerte es schon, bis Matt verstand. Dann aber sah er den Kaiser fassungslos an. »Du glaubst, ich sei geisteskrank?«
»Alors, so drastisch wollte ich das eigentlich nicht ausdrücken!« De Rozier schnitt eine leidende Miene und hob abwehrend die Hände. »Aber wäre das nicht die vernünftigste Erklärung für eine derart paradoxe Erzählung?«
»Paradox?« Matt Drax war wie vor den Kopf gestoßen. Gerade vom Kaiser, der doch die Wirkung des Zeitstrahls an seiner eigenen Existenz hatte erfahren müssen, gerade von ihm hätte er mehr Verständnis erwartet.
»Paradox, exact!« De Rozier klopfte mit dem Fingerknöchel auf den Kartentisch, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Paradox war schon deine Behauptung, du hättest an einem Zeittunnel mitgebaut, der dich zuvor in die Zukunft gerissen hat.« Er hob den gestreckten Zeigefinger. »Wohlgemerkt: Bevor du an seiner Erbauung mitgewirkt hast!«
»Hat er dich nicht auch in die Zukunft gerissen?«, fragte Matt resigniert.
»Certainement, doch das ist nicht der Punkt! Hör gefälligst richtig zu!«
»Werde nicht unverschämt, Mann!« Matt wurde ernsthaft sauer.
»Nicht genug damit«, fuhr de Rozier ungerührt fort. »Du versuchst auch noch das erste Paradoxon durch ein zweites zu erklären, denn genau das tust du, wenn du uns erzählst, du wärst dreieinhalb Milliarden Jahre in die Vergangenheit gereist!«
»Das ist eine ziemlich steile Story, stimmt, und ich erzähle sie auch nur meinen besten Freunden. Doch paradox ist sie nicht.«
»Natürlich ist sie paradox«, beharrte de Rozier. »Denn wie kann ein Mensch Milliarden Jahre in die Vergangenheit reisen, wenn die Welt erst vor sechstausend Jahren erschaffen wurde?«
Matt fiel der Unterkiefer herunter. Wieder rang er um seine Fassung. »Das glaubst du wirklich?«
»Was für eine Frage!« Ein ärgerlicher Ausdruck huschte über de Roziers Miene. Doch sofort kehrte die Besorgnis auf seine Züge zurück und richtete seinen Blick erneut auf Matt Drax. »Geht es dir wirklich gut, mon ami?«
»Du kannst mich mal…!« Matt platzte der Kragen. Im selben Moment erfasste eine Sturmböe das Luftschiff und schüttelte die Gondel durch. Matt Drax hielt sich an den Armlehnen seines Sessel fest, der Kaiser stürzte rückwärts in seinen Sitz und wurde leichenblass. »Mon dieu! Was ist das?«
»Ein Gewittersturm«, sagte Yann Haggard am Fenster.
De Rozier stemmte sich aus dem Sessel und lief zu ihm. Mit erschrockener Miene starrte er in die vorbeijagenden Wolken. Blitze zuckten und Donner grollte jetzt fast ununterbrochen. »Wir müssen höher steigen!« De Rozier lief zu den Armaturen und öffnete die Dampfventile. »Über die Gewitterfront hinweg!«
Die Sache wurde ernst. Matt Drax erhob sich und ging zu ihm, um zu helfen. »Habe ich dich richtig verstanden, Maddrax?«, fragte Yann, der noch immer seelenruhig vor dem Fenster saß. »Wir werden einige Wochen überspringen, wenn wir durch den Strahl fliegen?«
»Wenn du die Augen nicht aufhältst, werden wir den Zeitstrahl nicht einmal finden!« Matt Drax schob Brennstoff in die Brennzelle.
»Ansonsten: Ja, wir werden ungefähr sechs Wochen später wieder aus dem Strahl herauskommen. Genauer konnte ich ihn damals nicht justieren.«
»Und danach werde ich fünfzig Jahre lang nicht altern?« Der Orkan schien den Seher nicht im Geringsten zu ängstigen.
Drax blickte zu ihm. Hat er es also doch kapiert.
Für einen Moment fiel der Lichtschein der Blitze draußen am Nachthimmel auf Haggards Gesicht. Der Mann lächelte. »So ist es«, bestätigte Matt.
»Nicht schlecht«, sagte Yann Haggard. »Keetje wird älter und älter und ich bleibe fünfzig Jahre lang so alt wie ich bin. Irgendwann
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