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216 - Jenseits von Raum und Zeit

216 - Jenseits von Raum und Zeit

Titel: 216 - Jenseits von Raum und Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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fast das Stampfen der Maschine und das Brummen des Propellers. Beide liefen an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Und wieder tauchte ein Blitzbündel die schwarzen Wolken und das bleiche Gesicht des Sehers in grelles Licht.
    Matthew Drax drehte sich nach Pilatre de Rozier um, der am Steuerruder stand und das Schiff in die Richtung zu lenken versuchte, in die der Seher deutete. Seine Perücke saß ihm schief auf dem Kopf, seine Augen waren geweitet vor Schrecken und Angst. Doch er nickte und kurbelte tapfer am Ruder herum.
    »Wie weit ist er noch entfernt?«, fragte Matt. Haggard antwortete nicht, stöhnte nur und lächelte selig. »Wie weit, Yann?« Matt Drax beugte sich an das rechte Ohr des Sehers, er schüttelte ihn. Yann Haggard versuchte die Linke zu heben, an der Ringfinger und kleiner Finger fehlten, doch sie fiel ihm wieder herunter. Matt fluchte leise. Hatte er zu viel Äther auf den Stoff geträufelt? Ratlos blickte er sich nach dem Kaiser um.
    Ein Blitzbündel zuckte so hell, dass Matt Drax geblendet die Augen zusammen kniff. Ein Donnerschlag dröhnte so heftig, dass er den Kopf einzog. »So laut, so laut«, lallte Haggard. »Verbiete ihm, so laut zu trommeln…!«
    »Wo ist der Strahl!«, zischte ihm Matt ins Ohr. Eine Sturmböe riss die Gondel zur Seite, ließ sie los, schleuderte sie zur anderen Seite. Matt Drax verlor das Gleichgewicht, schlug lang hin und schlidderte gegen die Beine des Kartentischs. Ein scharfer Schmerz bohrte sich in seine Rippen auf der linken Seite.
    Er zog sich hoch und sah sich um – de Rozier kniete vor dem Ruder und versuchte Kurs zu halten. Wieder leuchteten Blitze auf und tauchten das leichenblasse Gesicht des Kaisers in gleißende Helligkeit. Der folgende Donner schien das Ende der Welt einzuläuten.
    Matt Drax robbte zu Haggards Sessel, zog sich an der rechten Seite hoch und beugte sich an die Stelle, an der einst eine Ohrmuschel gewesen war – jetzt klaffte dort nur noch ein blutverkrusteter Gehörgang. Irgendeine Bestie hatte dem Seher zwei oder drei Wochen zuvor das rechte Ohr und an der linken Hand Ringfinger und kleinen Finger abgebissen.
    »Der Strahl, Yann! Zeig uns den Strahl!« Er schüttelte den Seher, bis der endlich das gesunde Auge öffnete. »Deute auf den Strahl!« Er strich ihm feuchte, fettige Haarsträhnen aus dem Gesicht hinter das gesunde Ohr. »Zeig ihn uns!«
    Yann Haggard öffnete das Auge, grinste irgendwie blödsinnig und hob schwerfällig die Rechte. »Da… da ist er doch, du Hohlkopf… hast du denn keine Augen im Schädel? Da links, keine fünfzig Schritte mehr…!«
    Matt fuhr herum. »Nach Backbord!«, schrie er in Richtung des Kaisers. »Dreh den Propeller! Du musst das Luftschiff weiter nach links steuern, Pilatre! Hast du gehört…?«
    Wieder zuckten Blitze und dröhnten Donnerschläge, wieder schüttelte der Gewittersturm die Gondel durch. Diesmal wurde Matt gegen die gusseiserne Tür vor der Brennzelle geworfen. Irgendwie schaffte er es, sich auf die Knie hochzustemmen. Ein Blick auf die Armaturen: Sie waren weit unter die Viertausend-Meter-Marke gesunken. Wenn nicht ein Wunder geschah, würde das Luftschiff ins Meer stürzen.
    Der Mann aus dem 21. Jahrhundert drehte sich nach de Rozier um. Der hockte auf dem Boden, hielt die Rudersäule mit Knien und Schenkeln umklammert und steuerte das Luftschiff in die Richtung, in die Yann Haggard noch immer deutete.
    »Geradeaus!«, brüllte Matt Drax. »Er muss direkt vor uns sein!«
    Und plötzlich, von einem Moment zum anderen, trat vollkommene Stille ein.
    Alles war ruhig, die Gondel pendelte nicht mehr hin und her, sackte in kein Luftloch mehr. Keiner der Männer rührte sich, und vor den Gondelfenstern sah Matt Drax ein blaues Flimmern.
    Die Stille war gespenstisch. Wie erstarrt hockte de Rozier vor seinem Ruder, und Yann Haggard hockte wie erstarrt in seinem Sessel.
    Auch sein eigener Körper kam Matt wie erstarrt vor. Auf einmal hörte er eine vertraute Stimme seinen Namen rufen: »Maddrax! Hörst du mich, Maddrax…?«
    ***
    Jenseits von Raum und Zeit
    Gilam’esh sah das Fluggerät in das Tunnelfeld eindringen. Er sah es den Strahl durchqueren, und er sah, wie es die gegenüberliegende Wand des bläulich flimmernden Feldes ansteuerte. Gleich würde es das Tunnelfeld wieder verlassen.
    Das durfte nicht geschehen!
    Die Nähe der drei Wesen spürte Gilam’esh genau; intuitiv wusste er auch, dass es Menschen waren. Und seltsam – kaum schwebte er dem Fluggerät entgegen, spürte er

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