217 - Der Unsichtbare
ich habe gar keine Schmerzen mehr!«
De Rozier blickte skeptisch drein. »Kannst du dich bewegen?«
Der Energieseher hob die Hand. »Ja.« Er sah das Blut auf Pilatres Schulter. »Lass mich das besser verbinden. Und danach suchen wir uns einen anderen Ort zum Ausruhen.«
Matt ging zurück an das dunkle Wasser des Teichs und starrte hinein. Er war seinen beiden Gefährten im Kampf keine große Hilfe gewesen – aber wenigstens hatte er Yann wecken können.
Keine Schmerzen? Falsch: Als er mit seiner körperlosen Hand Yanns Tumor berührte, hatte er zweifellos einen Schmerz ausgelöst. Die Wucherung schien also der einzige Punkt außerhalb des Strahls zu sein, den er beeinflussen konnte. Doch dass der Seher ansonsten gar nichts mehr spürte, war nicht gut. Wenn er sich auch nur leicht verletzte, ohne es zu merken, konnte er sogar daran sterben!
Was war mit Yann geschehen? Hatte die Durchquerung des Zeitstrahls sein Schmerzzentrum ausgeschaltet? Aber warum nur bei ihm? Es musste mit dem Tumor zu tun haben, das war alles, was Matt zum jetzigen Zeitpunkt vermuten konnte. Für weitere Untersuchungen fehlte ihm die nötige Einrichtung – und schlimmer noch: sein Körper!
Auch auf ihn selbst hatte der Strahl diesmal einen nie beobachteten Effekt gehabt. Was, wenn er sich nicht rückgängig machen ließ? Wenn die Tachyonen ihn auf irgendeine Weise für immer von der Wirklichkeit getrennt hatten? Würde er dann bis ans Ende seiner Tage unsichtbar in der Welt herumwandern?
Matt ballte die Hände zu Fäusten. »Niemals aufgeben!«, sprach er sich selbst Mut zu. »Ich finde eine Lösung. Ich habe bisher immer einen Weg gefunden…«
***
Der Tangaani-See brandete gegen die schiefergrauen Ufersteine. Orangegelbes Licht erwachte im Osten und tauchte die Wellen in Gold. Bunte Vögel zogen flatternd ihre Kreise. Einige stießen in den See hinein, auf der Jagd nach Fischen. Die Berge im Westen lagen noch im Schatten, nur im Osten glühten die Grate und Gipfel auf.
Oree hatte keinen Blick übrig für dieses vertraute Schauspiel. Er betrachtete das sonderbare Gefährt, welches das Schicksal ihm und seinen zwölf Kriegern in die Hände gespielt hatte. Konnte das eines der legendären Himmelsschiffe sein, die manche aus dem Dorf bereits am Himmel gesehen hatten? War es ein Werk aus dem Reich des sagenumwobenen Kaisers aus dem Osten?
Oree ging um das auf der Seite liegende Luftschiff herum und löste dabei die Axt von der Halterung an seinem Rücken. Es sah so sonderbar aus, dieses Gebilde aus Holz, Metall und Glas, neben dem sich ein großes buntes Tuch ausgebreitet hatte, das durch kräftige Taue und Netze mit dem Gebilde verbunden war. Weiches Morgenlicht beleuchtete das bestickte Riesentuch mit dem sonderbaren Symbol darauf. Es war ein prächtiges Himmelsschiff. Sicher war es viel wert, trotz der erheblichen Beschädigungen. Alles an ihm wirkte kunstfertig und zugleich ganz anders, als die Wunderwerke des Khaan.
Oree krampfte seine Hand um den Axtstil. Der Khaan. Alter Hass stieg in ihm empor.
»Was tun wir damit, Oree?« Sein Freund Buran sah ihn mit fragenden Augen an. »Sollen wir es Waluk bringen?«
»Waluk, dem Wakuda?« Oree schnaubte. Er hielt nicht viel vom Häuptling des Dorfes Aruun. Auf ihn hatte er ebenso viel Wut wie auf den Khaan selbst. »Nein. Das bekommt Waluk nicht. Die Beute gehört dem, der sie findet, und deshalb gehört das Luftschiff mir.« Es war ein glücklicher Zufall, dass sie das Himmelsschiff entdeckt hatten. Eigentlich waren sie ausgezogen, um herauszufinden wie weit die »Fara« auf dem Vormarsch waren. Es hieß, ein ganzes Heer würde sich von Westen nähern und Fort Agraa schon bald erreichen.
»Aber was willst du mit dem Ding?« Buran kratzte sich die kurzen schwarzen Locken. »Du kannst es sicher nicht fliegen.«
»Wir bringen es dem Khaan. Als Auslösung für meine Schwester.«
Buran stöhnte auf. »Oree, ich kann verstehen, was du fühlst, aber der Khaan gibt deine Schwester seit fünf Jahren nicht heraus, und…«
»Wer ist der erste Krieger des Dorfes?«
»Als ob das eine Rolle spielt, seitdem wir nur noch Vulkawasser (ein Schnaps aus Zuckerrohr) brennen.«
»Sag den anderen, sie sollen mit den Boda-Bodas zurückfahren und den Efranten holen. Wir bringen dieses Ding zum Khaan, und er wird mir meine Schwester dafür geben.«
Buran schüttelte den Kopf. »Selbst wenn der Khaan so blöde wäre… hast du dir das fremde Ding mal genau angesehen? Das ist selbst für den Efranten zu
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