2171 - Inquisition der Vernunft
oberen Schädelwölbung. Ihre Form wirkte auf andere Wesen wie ein freundliches Lächeln.
Während er darauf wartete, dass einer der Superb-Genetiker eintrat, strich sich Sickz mit den fünf Fingern einer Hand über den fingerdicken, goldenen Stirnreif, dessen Einlagerungen aus Para-Staub bestanden. Diese verstärkten seine suggestiven Fähigkeiten paramechanisch. Jetzt hörte er es auch. Jemand kam. Seine linke Ohrmuschel war durch ein mattgraues, der Originalform nachgebildetes biomechanisches Implantat ersetzt worden.
Dadurch konnte er nicht nur besser hören, sondern hatte weitere Fähigkeiten gewonnen. So diente ihm das Ohr einerseits als Kommunikator auf Hyperfunkbasis und stellte ihm andererseits einen Mikrorechner zur Verfügung, der ihm half, rasch eine Situation zu analysieren, oder der Daten speicherte, so dass er über eine Art fotografisches Gedächtnis verfügte. „Prai Go Kijo", teilte ihm das Implantat mit. Es hatte die Schritte des Progenetikers analysiert und identifiziert und danach auf paramechanischem Wege Verbindung zum Gehirn des Tonkihn aufgenommen. Im nächsten Moment trat Prai Go Kijo ein. Der Genetiker begrüßte den Emotio-Händler mit einer zurückhaltenden Geste seiner Fühler. „Wir sind so weit", teilte er mit. „Die Ratsmitglieder sind versammelt, und das Objekt hat die nötigen Tests erfolgreich überstanden." Sickz Uknadi antwortete nicht. Er schritt auf die Tür zu. Sein Chaquitte schloss sich ihm augenblicklich an.
Aus den Nebenräumen kamen die nach ihm rangnächsten Tonkihn seiner Delegation. Jeder von ihnen wurde von einem Chaquitten begleitet, und jedes dieser Tiere passte in seiner Art, sich zu bewegen, dazu, als sei es ein Spiegelbild seiner Seele. Sie hielten einen Abstand von annähernd zehn Schritten von Sickz Uknadi, während sie ihm folgten. Keiner von ihnen sprach. Alle machten einen äußerst konzentrierten Eindruck. Und die Form ihrer Lippen ließ sie aussehen, als ob sie lächelten. Als Führer stand Sickz Uknadi einer Geheimloge vor, die aus den 32 fähigsten Emotio-Händlern von Tradom bestand. Der Name dieser Organisation wurde von den Mitgliedern vorläufig nur flüsternd erwähnt. Meist sprach man in ihrem Kreis nur von der Loge.
In der Tür zum Saal blieb der Emotio-Händler stehen. Hochmütig blickte er auf die versammelten Superb-Genetiker und ihren Progenetiker Prai Go Kijo hinab. In seinen Augen waren die Insektoiden Feiglinge ohne echtes Format. Er verachtete Wesen, die feige waren, denn ihm selbst war diese Eigenschaft vollkommen fremd. Wenngleich sich sein Denken und Handeln stets im Kosten-Nutzen-Rahmen bewegte, scheute er kein persönliches Risiko und stand, so es notwenig war, in vorderster Front.
Schon aus diesem Grund mochte er die Superb-Genetiker vom Planeten Kaaf nicht. Sie waren niemals geradeaus, dabei auf ihre Weise jedoch geradezu erschreckend fähig. Er fürchtete sie nicht. Sie waren für ihn lediglich Helfer, deren Dienste er optimal zu nutzen gedachte. Dabei war er sich bewusst, dass er auf der Hut sein musste, um von ihnen nicht übervorteilt zu werden. Er charakterisierte sie als hinterhältig, und ihre Art zu denken war ihm fremd.
Bei seinen Bemühungen, sich ihnen zu nähern und ihr wahres Wesen zu ergründen, empfand er als besonders störend, dass er bei ihnen aus äußerlichen Kennzeichen, wie etwa der Körpersprache, nicht ableiten konnte, was sie dachten und empfanden. Auch ihre Gesten sofern bestimmte Bewegungen ihrer Fühler und ihrer Gliedmaßen überhaupt als solche zu bewerten waren blieben ihm rätselhaft. Dabei halfen ihm weder das Implantat noch die Instinkte seines Chaquitten oder seine Parafähigkeiten der Suggestion, die ohnehin nur auf indirektem Wege zu einem Erfolg hätten führen können. Hilfreich war dagegen seine Kleidung mit ihrem lockeren, blusenartigen Oberteil und den engen braunen Hosen, die in helle Stiefel' übergingen. Diese High-Tech-Textilien waren mit allem ausgerüstet, was ihm helfen konnte, seine Umgebung und seine Verhandlungspartner zu beurteilen.
Die Kleidung maß die Schwankungen in der Körpertemperatur der insektoiden Wesen, ihre Ausdünstung, ihre Atemfrequenz, ihren Puls sowie die Frequenz ihrer Hirnschwingungen, ihre Schrittlänge und die Geräusche, die ihre Exoskelette bei jeder Bewegung verursachten. Somit nahm die Kleidung eine Fülle von Informationen auf, die der Tonkihn mit seinen natürlichen Sinnen niemals hätte erfassen können. Sickz Uknadi war ein vorsichtiger und
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