2171 - Inquisition der Vernunft
uns niemals verweigern werden", fügte sein Alter pflichtschuldig hinzu. Er sprach aus tiefster Überzeugung und mit einer gewissen Ehrfurcht. Die Genetiker waren erfüllt von dem Gedanken, dass sie eine Verpflichtung für die Generationen nach ihnen trugen. Ihr ganzes Leben richteten sie nach diesem Gedanken aus. Mit Hochachtung und Respekt betrachteten sie nur jene Vorfahren ihres Volkes, die ihr ganzes Leben dieser Verpflichtung nachgekommen waren und sich schließlich für sie aufgeopfert hatten. Eine weitergehende Beachtung fanden die Ahnen bei ihnen nicht, denn nicht die alten, sondern die neuen Generationen stellten die Hoffnung des Volkes dar.
Die Vergangenheit konnte niemand mehr ändern, doch die Zukunft konnte gestaltet werden. Sie war die Wurzel jeglicher Verantwortung. Jede Entscheidung, die in diesen Tagen getroffen wurde, jede Initiative, jede Idee hatte ihre Auswirkung bis in die ferne Zukunft hinein, betraf somit alle folgenden Generationen. Wenn aus den Genetikern von Kaaf tatsächlich ein Volk hervorgehen sollte, das irgendwann einmal zumindest die zahlenmäßig größte, wenn nicht mächtigste Bevölkerungsgruppe in der Galaxis Tradom darstellte, mussten die Weichen dafür in der Gegenwart - gestellt werden. Diesem Gedanken mussten alle Aktivitäten zugrunde liegen.
Schon in ferner Vergangenheit hatten die Genetiker nur für die Zukunft geplant. In den ersten Anfängen war es um die Erfassung eines Landstrichs, danach um die eines Kontinents, später um die Beherrschung des ganzen Planeten Kaaf gegangen. Je mehr Wissen die Vorfahren über ihre Umwelt erworben hatten, je weiter ihre Sicht hinausreichte, desto mehr hatten sie ihr Denken und Handeln in den Dienst künftiger Generationen gestellt. Ohne die Superintelligenz VAIA dabei zu missachten. Prai Go Kijo war ein Progenetiker, der nicht nur seine Macht als Herrscher zu behaupten wusste, sondern ebenso mit absoluter Konsequenz für die kommenden Generationen arbeitete. Er war nicht der erste Herrscher, dem Al Tafir als ranghöchster Genetiker unterhalb des Rates diente.
Davor hatte er Trolp Ga Grano zugearbeitet, einem Progenetik er, der sich scheute, Entscheidungen zu treffen, weil er in der ständigen Furcht lebte, ihre Auswirkungen für die Quinta könnten negativ sein. Trolp Ga Grano hatte oft von einer Zeitreise geträumt, die weit in die Zukunft führte. Hin und wieder waren seine Zweifel so ausgeprägt gewesen, dass er wie gelähmt war. Nie konnte er sicher sein, dass seine Weichenstellungen tatsächlich zum größtmöglichen Nutzen für die Quinta waren. In den Stunden seiner Unsicherheit wünschte er sich, in die Zukunft reisen zu können - um Hunderttausende von Jahren-, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, welche Auswirkungen seine Entscheidungen hatten.
Solche Schwächen kannte Prai Go Kijo nicht. Er wusste, dass er niemals die Möglichkeit haben würde, eine Zeitreise anzutreten, also lohnte es nicht, sich überhaupt mit diesem Gedanken zu befassen. Der Mitarbeiter öffnete die Tür für den Herrscher. „Quinta ist unsere Bestimmung", sagte Al Tafir. „Quinta ist unsere Bestimmung", antwortete Prai Go Kijo. Die feinen Härchen an seinen Fühlern waren in ständiger Bewegung, ließen dabei jedoch nicht erkennen, was der Progenetiker empfand. Er hatte seine Gefühle unter Kontrolle. Das war nie anders gewesen. Nie zuvor war Al Tefir jemand begegnet, der sich in dieser extremen Weise zu beherrschen wusste. „Unsere Nachkommen. Sie sind uns heilig." Er bewegte sich rasch durch einen Gang, dessen Wände teilweise mit edlen Hölzern verkleidet waren. Al Tafir hatte Mühe, ihn zu überholen, um ihm die Tür zum Versammlungssaal zu öffnen. Es War nicht mehr als eine Geste. Eine verborgene Technik hätte die Tür auch geöffnet, wenn er hinter Prai Go Kijo geblieben wäre. Vor ihm dort zu sein gehörte jedoch zu den Ergebenheitsbeweisen. Die golden schimmernde, gewölbte Decke des Raumes schien keine klare Grenze zu bilden, sondern nebelhaft und seltsam durchsichtig bis in nicht fassbare Höhen zu reichen; zugleich war sie von einem umfassenden Licht erfüllt. Der Boden bildete eine weite Mulde, die von wabenförmigen Mustern in unterschiedlichen Farben überzogen war. Aus einigen im Boden verborgenen Düsen stiegen in trägen Schwaden von Wohlgerüchen erfüllte Nebelschleier auf.
Die Superb-Genetiker standen oder saßen nicht auf festgelegten Plätzen, sondern waren alle in ständiger Bewegung. Tatsächlich befanden sie
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