2176 - Thoregons Kinder
umkreiste sie langsam in der dünnen, eisigen Luft und genoss den grandiosen Ausblick.
Jetzt zeigte sich, wie wertvoll die Heizung des Math-Patas und das Prallfeld waren, sonst hätte er es kaum hier oben ausgehalten. Der Verkehr war in dieser Höhe nicht mehr so dicht, zumeist waren Taxigleiter unterwegs. Und einige draufgängerische Cruiser, vermutlich Jugendliche, die laut lärmend die höchsten Gebäudespitzen umkreisten und sich gegenseitig mit waghalsigen Kunststücken zu übertreffen suchten.
Niemand ermahnte sie, dies zu unterlassen; es gab nirgends so etwas wie eine Aufsicht.
An jedem Gebäudehaupteingang befanden sich Holotafeln die über den Zweck des Gebäudes informierten, Architekten und Fassadenkünstler nannten und auflisteten, was sich darin befand: Verwaltung, Akademie, Kunst und Handwerk und natürlich wer in den Wohnungen lebte. Die gesamte höchste Insel war für die Priesterkaste reserviert. Alaska versuchte, in das Zentralgebäude zu gelangen, und stellte überrascht fest, dass dies ohne Probleme möglich war. Wie beim Hotel gab es eine Robotrezeption, die ihn nach seinen Wünschen fragte. „Ich hätte gern mehr über die Regierung erfahren", antwortete der Maskenträger. „Du bist ein Auswärtiger?"
„J a, vor wenigen Stunden erst angekommen."
„Bitte sehr. Das Terminal an der violetten Säule steht dir zur Verfügung. Möchtest du einen Priester persönlich sprechen?" Die Versuchung war groß. Damit stieg aber zugleich die Gefahr der Entdeckung. Dass zwei Mochichi begeistert gewesen waren, Unterstützung „von außen" zu bekommen, hieß nicht, dass die Unsterblichen bei der Regierung beliebt waren. Die Tarnung als „Design-Humaner von Aegori B" war mehr als dürftig, solange Alaska nicht genau wusste, was wirklich dahinter steckte.
Er konnte sehr schnell auffliegen.
Und bei aller Freizügigkeit wollte Alaska diese Information nicht einfach aus dem zentralen Netzwerk holen. Der allumfassende Frieden und das betont glückliche Gehabe der „Kinder Thoregons" vermittelte eine Vertrauensseligkeit, die vermutlich nicht gerechtfertigt war. Vielleicht beherrschte ihn übertriebenes Misstrauen, aber das Auftreten der Kattixu war dem Terraner Warnung genug. Dazu kam die aggressive Ausstrahlung einiger Helioten. Das saß Alaska immer noch in den Knochen.
Immerhin galten die Helioten als Wesen reinsten Lichts, erfüllt von absoluter Güte und Friedfertigkeit. „Nein, das ist nicht notwendig, ich informiere mich nur", antwortete er deshalb.
Der Terraner wandte sich dem Terminal zu, wo bereits einige Informationen aufgelistet waren: Namen und Funktion der Priester, der jeweils zugeteilte Verwaltungsapparat. Sie beaufsichtigten die Verteilung der zentral bereitgestellten Güter, die Aufrechterhaltung der Infrastruktur und die Pflege des Glaubens. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse wurden zentral registriert und verteilt. Dadurch, dass wie im Schlaraffenland quasi die Früchte in den Mund wuchsen, kam wohl niemand auf die Idee, ein eigenes Geschäft zu gründen. Selbst das Glücksspiel war harmlos: Wenn jemand seinen Besitz verlor, ging er einfach zur nächsten.
Ausgabestelle und versorgte sich neu.
Es gab keine Geldmittel. Selbst die Mitarbeiter der zahlreichen kleinen Garküchen und Restaurants waren im Grunde nur „Angestellte" einer ominösen zentralen Macht im Hintergrund. Wer arbeiten wollte, wurde auf seine Eignung geprüft und im Einvernehmen mit seinen Wünschen eingesetzt. Es gab keine Dienstpläne, keine Vorschriften. Selbst wenn es dazu führte, dass zufällig eine Dienstleistung nicht angeboten werden konnte, weil überhaupt niemand zur Arbeit erschien - in einem solchen Fall wurde eben. ein Roboter geschickt. Jeder Angehörige Thoregons konnte jederzeit seinen Wohnort wechseln oder Arbeit auf einem anderen Planeten suchen. „Es ist einfach zu schön, um wahr zu sein", murmelte Alaska nicht zum ersten Mal.
Der Terraner wusste ganz genau, dass es für ihn und Monkey bedeutete, noch vorsichtiger zu sein und sich im Hintergrund zu halten. Denn bei diesem Utopia konnte jede Störung von außen nur Gefahr bedeuten, die eliminiert werden musste.
Womöglich brachten unerwünschte Besucher die „Kinder Thoregons" auf dumme Gedanken - überhaupt zum Denken -, wenn sie vom Leben „draußen" hörten. Das geordnete System konnte dadurch schnell durcheinander gebracht werden.
Durch das scheinbar transparente Gefüge der Regierung, die Nähe zum Volk wurden die Einwohner in dem
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