2176 - Thoregons Kinder
in einer Nische. „Pst", machte er. „Ganz still jetzt! Und schau vor allem nicht direkt hin. Das merken sie. Sie wissen es immer, wenn du sie beachtest, und das mögen sie nicht. Man muss ihnen immer aus dem Weg gehen." Alaska brauchte jetzt nicht mehr zu fragen, von wem das Kind sprach. Er schob sich in dieselbe Nische und versuchte sich ein bisschen kleiner zu machen. Gleich darauf bekam er die Bestätigung; ein keilförmiger, tiefschwarzer Gleiter flog langsam durch die Schneise, von der sie abgebogen waren.
Der Maskenträger befolgte den Rat des Kleinen und beobachtete die Kattixu nur aus dem Augenwinkel. Es mochte vielleicht albern sein, aber es schadete keinesfalls, und er wollte nichts riskieren. „Machen sie das oft?", flüsterte der Maskenträger, als der Gleiter außer Sichtweite war. „Jeden Tag, manchmal jede Stunde", antwortete Sol. „Sie sind immer auf der Suche. Keiner von uns ist sicher, denn wir wissen nie, warum sie suchen. Aber jetzt ist es vorbei. Komm, wir können weiter!" Sol Kirin zeigte dem Maskenträger viele Informationsstellen mit Hinweisholos für Besucher anderer Planeten, die vor allem über das Wirken des Sonnengottes Auskunft gaben, aber auch den Wetterdienst und den Stand der Ernte nannten.
Jede Basis der schwebenden Inseln war so großzügig angelegt, dass es zahlreiche Plätze zwischen den einzelnen Gebäudetürmen gab, auf denen sich oft Kunstwerke und religiöse Plastiken befanden, wie in einer Art Freilichtmuseum. „Es regnet hier nicht oft, wie?", vermutete Alaska. „Doch, aber immer nur sehr kurz, und es ist stets ein warmer Regen", antwortete Sol. „Er macht uns nichts aus, und die Kunstwerke werden von automatischen Prallfeldern geschützt."
Über einem Platz verharrte Alaska und landete. Der Terraner stieg von dem Math-Pata und ging um eine Skulptur herum, die ihm nicht zum ersten Mal auffiel.
Ungewöhnlich war, dass sie keine abstrakte oder geometrische Form besaß, sondern detailgetreu ein Lebe- oder Fabelwesen darstellte. „Was sind das eigentlich für Geschöpfe?", fragte er. „Ich habe sie jetzt schon auf mehreren Plätzen gesehen."
„Oh, das", meinte der junge Mochichi leichthin, „das sind natürlich Algorrian. Sag bloß, die kennst du nicht?"
„Nein." Alaska schüttelte den Kopf, obwohl der Kleine diese Geste wohl kaum verstehen konnte.
Die Algorrian erwiesen sich als Geschöpfe mit vier Beinen und vier vergleichsweise dünnen Armen mit vollständiger Fellbehaarung. Sie erinnerten Alaska spontan an die Zentauren der terranischen Mythologie. Die Höhe bis zum Kopf betrug 1,90 Meter, die Gesamtlänge 2,30 Meter. Die Armpaare waren auffällig knochig, die starken, stämmigen Beine endeten in vier kräftigen, aber kurzen Zehen. Der lang gezogene, spitz zulaufende Kopf sah entfernt aus wie eine Mischung aus einem stumpfnasigen terranischen Hund und einem Luchs, mit zwei langen, spitzen, geknickten Ohren und tentakelartigen Fortsätzen an der Schnauze. „Sie sind seit zehntausend Jahren ausgestorben, heißt es", fuhr Sol Kirin fort. „Die Algorrian waren einst die besonderen Günstlinge des einzigen und wahren Thoregons, unsere Vorgänger, bevor wir zu den auserwählten Kindern des Sonnengottes wurden. Die letzten Algorrian lebten und starben in der alten Stadt Aldarimme, zweitausend Kilometer westlich von Ligohu, in der Felseneinöde der Wüste Gemb."
„Du weißt aber viel", sagte Alaska beeindruckt. „Und was haben sie Besonderes getan?"
„Das weiß ich nicht. Aber wir erinnern uns an sie als ein wichtiges Volk. Deswegen sind überall die Statuen aufgestellt." Als Sol abgelenkt war, prüfte Alaska heimlich in seinem Stadtführer unter dem Stichwort „Algorrian" die Informationen nach. Der Terraner musste feststellen, dass es tatsächlich nicht mehr über diese seltsamen, zentaurenartigen Wesen gab.
Seltsam, an nahezu jedem Platz solche Statuen aufzustellen, aber keinen geschichtlichen Hintergrund mehr dazu zu haben. Das passte nicht recht zusammen - wenn das Wissen über die Algorrian absichtlich ausgemerzt worden war, weshalb blieben dann die Skulpturen stehen? Wenn ich es recht bedenke, passt hier überhaupt nichts zusammen. Und das kann nicht nur daran liegen, dass ich aus einer weit entfernten Galaxis komme und die Lage hier nicht verstehe. Sie setzten den Ausflug fort und wechselten auf eine andere schwebende Insel über, die im Zentrum Ligohus lag. Dort wollte Sol Kirin seinem Lebensretter etwas Besonderes zeigen.
5.
Das
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