2186 - Der neue Souverän
und her, ein Kampf der Gedanken, und schließlich zerrte die Gier am Souverän.
Solch eine Auseinandersetzung hatte Tradom noch nie erlebt. Der Souverän der Vernunft gegen einen Inquisitor! Bislang hatte der Souverän den Kampf als Notwendigkeit betrachtet, um seine Herrschaft zu sichern, sein unsterbliches Leben zu schützen, doch nun ... nun spürte er ihre schier unvergleichliche Lebenskraft und wusste, sobald es so weit war, würde er nicht widerstehen können. „Warum hast du das getan?", wiederholte er nach einer Ewigkeit. Diesmal antwortete die Erste Inquisitorin. Um ihn mit ihren Worten abzulenken, zum Nachdenken zu bringen, seine Konzentration zu schwächen. Aber der Versuch war aus der Verzweiflung geboren und zum Scheitern verurteilt. „Was getan?"
„Warum hast du mich verraten? Warum hast du gegen mich gearbeitet, meine Pläne sabotiert?
„Selbst jetzt war es unter der Würde der Ersten Inquisitorin, ihn plump zu belügen. „Weil du Fehler begangen hast! Wegen deiner Besessenheit zu L'Erics! Weil du diesen elenden Planeten Terra aus einer bloßen Laune heraus unbedingt erobern willst! Weil wir für diesen Feldzug noch nicht bereit waren!" Einen Moment lang war er erschüttert. Aber dann lachte er, schief und knarrend. „Nein!", keuchte er. „Du wolltest nur noch mehr Macht... meine Macht!" Sie schlug den Blick nieder. „Wenn du das glaubst ..." Dieser Augenblick genügte ihm. Er bewegte sich verkrümmt, ruckhaft. Trotz aller Übung, aller Bemühungen war es ihm nicht gelungen, seine Bewegungsweise zu verbessern. Früher, ganz am Anfang, hatte er seine veränderte Biomechanik verflucht, die neuen Hebel seiner neuen, Glieder, doch er hatte sich schon lange daran gewöhnt. Er schnellte sich ab und sprang vor und bekam mit seinen Klauenfingern einen Fetzen ihrer dunklen Robe. zu fassen. Mit einer Kraft, die ihn selbst erstaunte, zerrte er daran, und das Gewand zerriss.
Ihr Körper war genauso hager wie der seine, so extrem mager, dass die Oberfläche der Haut von einem pulsierenden Geflecht aus Adern zergliedert wurde. Die Erste Inquisitorin schrie auf, als das kalte Licht der drei Monde auf ihre graue Haut fiel und sie zu verbrennen schien. Sie riss die Arme hoch, um den nun unbedeckten Kopf zu schützen. Der Souverän der Vernunft warf sich auf sie und zerrte sie zu Boden. Er kam auf ihr zu liegen und drückte sie mit seinem Gewicht auf die kalten Steine der Welt der drei Monde, und ihre Lippen waren nur millimeterweit voneinander entfernt. Einen Augenblick lang schienen diese schmalen, durchsichtigen Striche ihn an etwas zu erinnern, an eine Verheißung, die schöner als das Leben war, und die Inquisitorin nutzte seine Verwirrung aus, bündelte ihre mentalen Kräfte zu einem letzten Schlag. Doch der Souverän war auf der Hut, ahnte, dass dieser Verzweiflungsangriff kommen würde. Er blockte ihn ab und durchbrach die letzte Verteidigung seiner Gegenspielerin.
Wehrlos lag sie unter ihm, mit all ihrer Lebenskraft. Sie wussten beide, was nun kommen würde. Was kommen würde, solange er ihr nicht in die Augen sah. „Nein!", krächzte sie. „Gnade, Souverän! Gnade, November!"
1.
Er-Innerungen Anfangs konnte er sich noch erinnern. Nur in der Erinnerung bleiben die Toten lebendig. Und die Menschen, die man auf andere Weise, nicht durch den Tod, verloren hat. Zumindest für einen selbst. Aber mit der Erinnerung ist das so eine Sache. Sie verbleicht. Er wusste es aus eigener Erfahrung. Das Schlimmste, was er sich vorstellen konnte, wäre, die Erinnerung zu verlieren. Sie definierte ihn. Sie machte ihn zu dem, was er war. Sie war seine Vergangenheit und bestimmte seine Zukunft. Ein Mensch ohne Erinnerung war ein Nichts. An bessere Zeiten.
Es war unvorstellbar. Er hatte sie gesehen und sich in sie verliebt. Jeder Augenblick, den er mit ihr verbrachte, vertiefte diese Liebe. Irgendwann, sehr bald, würde der Zeitpunkt kommen, da er nicht mehr ohne sie leben konnte. Und an richtig gute. Er ließ den Blick über ihren nackten Körper gleiten. Über die langen Beine, die schmale Taille, den vollen Busen, das fein geschnittene Gesicht, die Arme. Aus irgendeinem Grund konnte er sich an ihren Händen nicht satt sehen. Sie waren sehr schlank und feingliedrig. Unter der dunkel gebräunten Haut kamen sie ihm wie zerbrechliche Kunstwerke vor, die jede noch so leichte Erschütterung, ja sogar schon ein starker Windstoß zerschmettern konnte.
An schöne Zeiten. „Ich werde dich beschützen",
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