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219 - Kaiserdämmerung

219 - Kaiserdämmerung

Titel: 219 - Kaiserdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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Blütenstängel, zersplitterte Sprösslinge und abgesäbelt Baumrinde ließen den Schluss zu, dass Zarr hier regelrecht gewütet hatte.
    Der Albino schüttelte den Kopf. Schon lange nicht mehr versuchte er das Verhalten seines Begleiters zu erklären. Das hier war nur eine von vielen Eigenarten des Zilverbaks. Nur schade, dass er die Rotdornen nicht gleich mit entsorgt hat. Rulfans Augen wanderten entlang der knorrigen Äste über die gefährlichen Flechten. Dabei entdeckte er, dass sich der Dschungel zunehmend lichtete. Nicht weit entfernt wuchsen die Baumriesen in größerem Abstand voneinander, und der Bewuchs ihrer Stämme begann erst gut zehn Fuß über dem Boden. Damit hatte die Dornenplage endlich ein Ende.
    Sehr gut!, dachte Rulfan. Schwungvoll schnitt und hieb er die letzten Stachelgeflechte von den Ästen. Dann machte er kehrt, um Lay mit dem Kamshaa zu helfen.
    Im Laufen ließ er sein Schwert in die Scheide an seinem Gürtel gleiten. Er mochte seine neue Waffe, die die Kilmaaro-Zilverbaks ihm beim Abschied überreicht hatten. Nachdem er ihren Anführer im Zweikampf unfreiwillig tötete, hatten sie ihn zu ihrem neuen Subabak gemacht; oder, wie sein Freund Matt Drax es so schön ausgedrückt hatte, zum Big Master of the Jungle. [1]
    Rulfan grinste.
    Kurz danach hatte er mit Zarrs Hilfe einen neuen Subabak ernannt: einen jüngeren Zilverbak, der bereit war, die Jagdrotte am Kilmaaro nach den überlieferten Regeln zu führen. Zwei Kampfpelze aus Zarrs und Lays Taraganda-Rotte sollten ihn für einige Monate dabei unterstützen. »Trotzdem bleibst du Subabak«, hatte Lay ihm erklärt. So etwas wie ein Ehren-Subabak, nahm Rulfan an.
    Seine Geliebte schien einen ähnlichen Rang in ihrem Stamm zu genießen. Zumindest behandelte Zarr sie wie eine Anführerin. Manchmal fast wie eine Göttin. Rulfan blickte auf. Und ist sie das nicht auch? Wenige Schritte vor ihm stand die Frau, die ihm an einem einzigen Tag das Herz gestohlen hatte.
    Sie war fast nackt. Der Regen perlte über ihre dunkle Haut und verfing sich im Gürtel ihres kaum sichtbaren Lendenschurzes. In ihren Bewegungen lag die Geschmeidigkeit einer Wildkatze. Mit getrockneten Feigen lockte sie das Kamshaa. Offenbar hatte sie Rulfans Schritte gehört.
    Sie wirbelte herum. Aus ihrer Lockenpracht spritzten kleine Wasserkaskaden und ihre Augen funkelten wie Sterne.
    Rulfan ging das Herz auf, als sie mit einem strahlenden Lächeln seinen Namen rief. Er verlangsamte seine Schritte, als wolle er jeden Moment ihres Anblicks in sein Gedächtnis brennen. Bei ihr angekommen, nahm er ihr Gesicht in seine Hände und küsste ihre Augen und Nase. Seine Lippen bewegten sich über die Narbe, die sich von ihrer Wange bis hinunter zur Schulter zog. Unter seinen Händen hoben und senkten sich ihre spitzen Brüste.
    Lay legte den Kopf in den Nacken. Ein leises Stöhnen rollte über ihre vollen Lippen. Ihre Finger tasteten über seine Haut. Fordernd drängte sie ihren Körper an seinen. Rulfan erschauderte unter ihren Berührungen. Weder das glotzende Kamshaa, noch der unwirtliche Ort konnten ihn jetzt noch daran hindern, seinem Verlangen nach Lay nachzugeben.
    Dafür schaffte es die knurrende Stimme in seinem Rücken: »Braucht Nackthaut Rast? Oder weiter nach Hund suchen?«
    Rulfan drehte sich langsam um. Wenige Meter entfernt wartete der Zilverbak Zarr. Scheinbar gelangweilt pflügte er mit seiner Machete die Erde neben seinen pelzigen Füßen. Aber unter seiner gewölbten Stirn funkelten dunkle Augen den Albino herausfordernd an.
    Obwohl Rulfan große Lust verspürte, sich mit dem Schwarzpelz zu prügeln, hielt er sich zurück. Abwartend erwiderte er seinen Blick.
    So etwas wie ein verzerrtes Lächeln huschte plötzlich über Zarrs Knautschgesicht . »Schlucht nicht weit!«, rief er mit kehliger Stimme.
    ***
    5. April 2524, in einem Waldstück nordwestlich von Wimereux
    Der Voodoomeister Fumo Omani betrachtete verstohlen die dreizehn Männer in der Jurte. Sie hockten im Schneidersitz auf weichen Kissen, manche in unscheinbaren Kutten, andere in farbenprächtigen Gewändern. Manche flüsterten miteinander, andere starrten in das Feuer in ihrer Mitte. Fumo sah verhärmte Gesichter, in denen das Leben tiefe Furchen hinterlassen hatte. Er sah derbe Gesichter mit schmalen Augen und unruhigem Blick. Und er sah schmallippige Gesichter, in denen sich Zorn und Ungeduld spiegelte. Das also waren die neuen Verbündeten. Unzufriedene Stammesführer aus nah und fern. Keiner jünger als

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